Wallander 08 - Die Brandmauer
konnte, der zurückgekommen war, um ihn zu töten. Er ging hinaus in den Flur und schob die Tür auf.
Ein älterer Mann mit einem Stock in der Hand stand davor. »Ich möchte zu Herrn Falk«, sagte er mit energischer Stimme. »Ich komme mit einer Beschwerde.«
»Wer sind Sie?« fragte Wallander.
|194| »Mein Name ist Carl-Anders Setterkvist, und ich bin der Hausbesitzer. Verschiedene Mieter haben sich bei mir über Lärm und ein ständiges Auf und Ab von Militär im Treppenhaus beschwert. Wenn Herr Falk hier ist, möchte ich mit ihm persönlich sprechen.«
»Herr Falk ist tot«, sagte Wallander, unnötig brutal.
Setterkvist sah ihn fragend an. »Tot? Was soll das heißen?«
»Ich bin Polizeibeamter«, erklärte Wallander. »Kriminalpolizist. Hier ist eingebrochen worden. Aber Herr Falk ist tot. Er starb Montag nacht. Hier laufen keine Militärs die Treppen auf und ab, sondern Polizisten.«
Setterkvist schien einen Moment lang zu überlegen, ob er Wallander glauben sollte. »Ich möchte Ihre Marke sehen«, sagte er dann mit Nachdruck.
»Die Marken sind schon vor vielen Jahren abgeschafft worden«, erwiderte Wallander. »Aber Sie können meinen Ausweis sehen.«
Er holte ihn aus der Tasche. Setterkvist studierte ihn eingehend.
Wallander erzählte kurz, was geschehen war.
»Sehr bedauerlich«, sagte Setterkvist. »Und was wird mit den Wohnungen?«
Wallander fuhr zusammen. »Wohnungen?«
»In meinem Alter ist es immer lästig, wenn neue Mieter einziehen. Man will ja gerne wissen, mit was für Leuten man es zu tun hat. Besonders in einem Haus wie diesem, in dem hauptsächlich ältere Menschen wohnen.«
»Wohnen Sie selbst hier?«
Setterkvist war sofort gekränkt. »Ich wohne in einer Villa außerhalb der Stadt.«
»Sie sagten ›Wohnungen‹?«
»Was hätte ich sonst sagen sollen?«
»Heißt das, Tynnes Falk hatte mehr als eine Wohnung gemietet?«
Setterkvist machte ein Zeichen mit dem Stock, daß er hereinkommen wolle.
Wallander trat zur Seite. »Ich will Sie nur daran erinnern, daß hier eingebrochen worden ist. Es sieht ziemlich wüst aus.«
»Bei mir ist auch schon eingebrochen worden«, entgegnete Setterkvist ungerührt. »Ich weiß, wie so etwas aussieht.«
|195| Wallander lotste ihn in die Küche.
»Herr Falk war ein sehr angenehmer Mieter. Nie mit der Miete im Rückstand. In meinem Alter wundert man sich über nichts mehr. Aber ich muß sagen, daß mich die Beschwerden, die in den letzten Tagen eingingen, erstaunt haben. Deshalb bin ich gekommen.«
»Er hatte also mehr als eine Wohnung«, wiederholte Wallander.
»Ich besitze ein vornehmes altes Haus am Runnerströms Torg«, sagte Setterkvist. »Dort hat Herr Falk eine Dachwohnung gemietet. Er sagte, er brauche sie für seine Arbeit.«
Das kann das Fehlen von Computern erklären, dachte Wallander. In dieser Wohnung gibt es nicht viel, was auf die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit schließen ließe.
»Ich müßte diese Wohnung einmal sehen«, sagte Wallander.
Setterkvist dachte eine Weile nach. Dann zog er den größten Schlüsselbund hervor, das Wallander je gesehen hatte. Aber Setterkvist wußte sofort, welche Schlüssel er suchte. Er machte sie los.
»Sie bekommen natürlich eine Quittung«, sagte Wallander.
Setterkvist schüttelte den Kopf. »Man muß den Menschen vertrauen«, sagte er. »Oder besser gesagt, man muß seinem eigenen Urteil vertrauen können.«
Setterkvist marschierte ab. Wallander rief im Präsidium an und bat um Hilfe bei der Plombierung der Wohnung. Dann ging er auf direktem Weg hinunter zum Runnerströms Torg. Es war fast sieben Uhr. Der Wind war noch immer böig. Wallander fror. Die Jacke, die Martinsson ihm geliehen hatte, war dünn. Er dachte an den Pistolenschuß. Es kam ihm immer noch alles unwirklich vor. Er fragte sich, wie er wohl in einigen Tagen reagieren würde, wenn er eingesehen hatte, wie nah er dem Tod tatsächlich gewesen war.
Das Haus am Runnerströms Torg stammte vom Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts und hatte zwei Obergeschosse. Wallander stellte sich auf die gegenüberliegende Straßenseite und blickte zu den Fenstern im Dachgeschoß hinauf. Ein Mann fuhr auf dem Fahrrad vorbei. Dann war er allein. Er ging über die Straße und öffnete die Haustür. Aus einer Wohnung klang Musik. Er machte Licht im Treppenhaus. Als er ins Dachgeschoß hinaufkam, sah er |196| nur eine Tür. Eine Sicherheitstür ohne Namensschild und Briefkasten. Wallander horchte. Alles war still. Dann schloß er auf.
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