Wallander 08 - Die Brandmauer
gehofft, der Mann sei betrunken. Daß alles pure Einbildung sei. Aber die Erregung des Mannes war echt.
»Was sehen Sie von Ihrem Wagen aus?«
»Ein Kaufhaus.«
»Hat es einen Namen?«
»Das kann ich nicht sehen. Aber ich bin bei der Ausfahrt abgefahren.«
»Welcher Ausfahrt?«
»Nach Ystad natürlich.«
»Von Trelleborg kommend?«
»Nein, von Malmö. Ich bin die große Straße gefahren.«
Ein Gedanke hatte sich aus Wallanders Unterbewußtem gelöst und stieg langsam an die Oberfläche. Aber noch fiel es ihm schwer zu glauben, daß es wahr sein konnte.
»Sehen Sie von Ihrem Wagen aus einen Geldautomaten?«
»Da liegt er. Auf dem Asphalt.«
Wallander hielt den Atem an. Als der Mann weitersprach, reichte er dem Polizisten, der neugierig zugehört hatte, den Hörer.
»Es ist die gleiche Stelle, an der wir Tynnes Falk gefunden haben. Fragt sich jetzt nur, ob wir ihn zum zweitenmal gefunden haben.«
»Große Besetzung also?«
Wallander schüttelte den Kopf. »Weck Martinsson auf. Und Nyberg. Der schläft wahrscheinlich noch nicht. Wie viele Wagen haben wir im Moment draußen?«
»Zwei. Einer ist in Hedeskoga, da muß ein Familienstreit geschlichtet werden. Eine Geburtstagsfeier, die ausgeufert ist.«
»Und der zweite?«
»In der Stadt.«
|217| »Die sollen so schnell wie möglich zum Parkplatz am Missunnaväg fahren. Ich komme mit meinem Wagen hin.«
Wallander verließ das Präsidium. Er fror in der dünnen Jacke. Während der Fahrt, die nur einige Minuten dauerte, fragte er sich, was ihn wohl erwartete. Aber im Innersten war er sicher: Es war Tynnes Falk, der an den Ort zurückgekehrt war, an dem sie ihn tot gefunden hatten.
Wallander und der hinzugerufene Streifenwagen kamen fast gleichzeitig an. Ein Mann sprang aus einem roten Volvo und fuchtelte mit den Armen. Nils Jönsson aus Trelleborg. Unterwegs nach Kristianstad. Wallander stieg aus. Der Mann kam ihm rufend und gestikulierend entgegen. Wallander roch seinen schlechten Atem. »Warten Sie hier«, fuhr er ihn an.
Dann ging er zu dem Automaten.
Der Mann auf dem Asphalt war nackt. Und es war Tynnes Falk. Er lag auf dem Bauch, die Hände unter der Brust. Sein Kopf war nach links gedreht. Wallander wies die Polizisten an, den Platz abzusperren und Nils Jönssons Aussage aufzunehmen. Selbst war er nicht dazu in der Lage. Nils Jönsson würde sowieso nichts Wichtiges sagen können. Wer immer die Leiche hergebracht hatte, hatte bestimmt einen Moment abgepaßt, in dem er unbeobachtet war. Aber die Kaufhäuser wurden von Nachtwachen kontrolliert. Beim erstenmal hatte ein Wachmann Tynnes Falk entdeckt.
Wallander hatte noch nie etwas Vergleichbares erlebt. Ein Todesfall, der sich wiederholte. Eine Leiche, die zurückkehrte.
Er begriff nichts. Langsam ging er um den Körper herum, als rechne er damit, Tynnes Falk würde plötzlich aufstehen.
Eigentlich liegt da ein Götzenbild, dachte er.
Du hast dich selbst angebetet. Und Siv Eriksson zufolge hast du vorgehabt, ein sehr alter Mann zu werden. Aber du hast nicht einmal so lange gelebt wie ich.
Nyberg kam in seinem Wagen. Lange starrte er auf den Körper. Dann sah er Wallander an.
»War der nicht tot? Aber wie ist er dann hierher zurückgekommen? Will er hier vor dem Geldautomaten begraben werden?«
Wallander antwortete nicht. Er wußte nichts zu sagen. Gleichzeitig |218| sah er Martinsson hinter einem der Polizeiwagen bremsen. Er ging ihm entgegen.
Martinsson stieg aus, im Trainingsanzug. Mißbilligend blickte er auf den Flecken auf der Jacke, die Wallander trug. Aber er sagte nichts.
»Was ist denn los?«
»Tynnes Falk ist zurückgekehrt.«
»Soll das ein Witz sein?«
»In der Regel meine ich, was ich sage. Tynnes Falk liegt genau da, wo er gestorben ist.«
Sie gingen hinüber zu dem Geldautomaten. Nyberg telefonierte. Er weckte einen seiner Techniker. Wallander fragte sich finster, ob er Nyberg wieder vor Erschöpfung in Ohnmacht fallen sehen würde.
»Eins ist wichtig«, sagte Wallander. »Versuch dich daran zu erinnern, ob er beim erstenmal, als ihr ihn gefunden habt, genauso lag.«
Martinsson nickte und ging langsam um den Körper herum. Wallander wußte, daß er ein gutes Erinnerungsvermögen hatte. Aber Martinsson schüttelte den Kopf. »Er lag näher am Automaten. Und das eine Bein war angewinkelt.«
»Bist du sicher?«
»Ja.«
Wallander überlegte. »Eigentlich brauchen wir nicht auf einen Arzt zu warten«, sagte er nach einer Weile. »Der Mann wurde vor knapp einer Woche
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