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Wallander 08 - Die Brandmauer

Wallander 08 - Die Brandmauer

Titel: Wallander 08 - Die Brandmauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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brauchen es nicht so ernst zu nehmen. Aber ich finde Menschen sonderbar, die etwas zu trinken ablehnen, obwohl man ihnen von weitem ansieht, wie durstig sie sind. Genauso sonderbar, wie wenn sie etwas zu essen ablehnen, obwohl man ihnen von weitem ansieht, wie hungrig sie sind.«
    »Ich war tatsächlich weder hungrig noch durstig. Falls Sie mich meinen.«
    »Wen denn sonst?«
    Wallander fragte sich, warum er nicht einfach ehrlich sein konnte. Wovor hatte er eigentlich Angst? Er bezweifelte auch, daß sie ihm glaubte.
    »Sind Sie jetzt gekränkt?«
    »Ganz und gar nicht«, erwiderte er. »Aber kann ich jetzt meine Frage stellen?«
    »Ich bin ganz Ohr.«
    »Können Sie beschreiben, wie es aussah, wenn Tynnes Falk auf der Tastatur seines Computers schrieb?«
    »Ist das Ihre Frage?«
    »Ja. Und ich hätte gern eine Antwort.«
    »Es sah ziemlich normal aus, glaube ich.«
    »Menschen schreiben unterschiedlich. Polizisten stellt man gern dar, wie sie mit dem Ein-Finger-Suchsystem eine alte Schreibmaschine traktieren.«
    »Jetzt verstehe ich, was Sie meinen.«
    »Hat er alle Finger benutzt?«
    |225| »Das tun sehr wenige, wenn sie an Computern arbeiten.«
    »Er benutzte also nur bestimmte Finger?«
    »Ja.«
    Wallander hielt den Atem an. Jetzt mußte sich zeigen, ob er recht hatte oder nicht.
    »Welche Finger hat er benutzt?«
    »Lassen Sie mich nachdenken.«
    Wallander wartete gespannt.
    »Er schrieb mit den Zeigefingern«, sagte sie.
    Wallander merkte, wie die Enttäuschung sich einstellte. »Sind Sie ganz sicher?«
    »Eigentlich nicht.«
    »Es ist wichtig.«
    »Ich versuche, ihn mir vorzustellen.«
    »Lassen Sie sich Zeit.«
    Jetzt war sie wach. Er war sicher, daß sie sich Mühe gab.
    »Ich rufe gleich zurück«, sagte sie. »Etwas macht mich unsicher. Ich glaube, es geht leichter, wenn ich mich an meinen eigenen Computer setze. Das hilft vielleicht meiner Erinnerung auf die Sprünge.«
    Wallander gab ihr seine Privatnummer.
    Dann setzte er sich an den Küchentisch und wartete. Er hatte brummende Kopfschmerzen. Am nächsten Abend würde er früh ins Bett gehen und eine ganze Nacht lang schlafen, dachte er, was auch geschähe. Wie es Nyberg wohl ging. Schlief er, oder lag er wach und wälzte sich hin und her?
    Zehn Minuten später rief sie zurück. Wallander zuckte zusammen, als es klingelte. Er fürchtete, es könnte ein Journalist sein. Aber es war zu früh. Vor halb fünf am Morgen riefen die nicht an.
    Er nahm den Hörer auf. Sie kam direkt zur Sache. »Rechter Zeigefinger und linker Mittelfinger.«
    »Sind Sie sicher?«
    »Ja. Es ist sehr ungewöhnlich, daß man so auf einer Tastatur tippt. Aber er hat so geschrieben.«
    »Gut«, sagte Wallander. »Das ist wichtig. Es hat mich in einer Vermutung bestärkt.«
    |226| »Sie werden sicher verstehen, daß ich nun wirklich neugierig bin.«
    Wallander überlegte, ob er ihr von den abgeschnittenen Fingern erzählen sollte. Aber er ließ es bleiben.
    »Ich kann leider nicht mehr sagen. Jedenfalls im Augenblick nicht. Später vielleicht.«
    »Was ist eigentlich passiert?«
    »Das versuchen wir herauszufinden«, sagte Wallander. »Vergessen Sie nicht die Liste, um die ich Sie gebeten habe. Gute Nacht.«
    »Gute Nacht.«
    Wallander stand auf und trat ans Fenster. Die Temperatur war etwas gestiegen. Plus sieben Grad. Der Wind noch immer böig. Außerdem hatte ein Nieselregen eingesetzt. Es war vier Minuten vor drei. Wallander ging ins Bett. Die abgeschnittenen Finger tanzten lange vor seinen Augen, bevor es ihm gelang einzuschlafen.
    *
    Der Mann, der im Schatten am Runnerströms Torg wartete, zählte langsam seine Atemzüge. Als Kind schon hatte er gelernt, daß Atmen und Geduld zusammenhingen. Ein Mensch mußte wissen, wann Warten wichtiger war als alles andere.
    Seinen Atemzügen zu lauschen war auch eine gute Methode, die eigene Unruhe zu kontrollieren. Viel zu viele ungeplante Ereignisse waren eingetreten. Er wußte, daß man sich nicht gegen alles absichern konnte. Aber daß Tynnes Falk gestorben war, bedeutete einen schweren Verlust. Jetzt waren sie dabei, die Situation neu zu organisieren. Bald würden sie alles wieder unter Kontrolle haben. Die Zeit wurde allmählich knapp. Doch wenn nicht noch etwas Unvorhergesehenes eintrat, würden sie ihren Zeitplan einhalten können.
    Er dachte an den Mann, der weit weg in der tropischen Dunkelheit saß. Der alles in der Hand hatte. Den er nie getroffen hatte. Aber den er respektierte und fürchtete.
    Es durfte nichts

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