Wallander 08 - Die Brandmauer
schiefgehen.
Das würde der Mann nie hinnehmen.
|227| Aber es konnte nichts schiefgehen. Keiner würde in den Computer eindringen können, der das eigentliche Gehirn war. Seine Besorgnis war unbegründet. Ein Mangel an Selbstkontrolle.
Es war ein Fehler gewesen, daß er den Polizeibeamten, der in Falks Wohnung hinaufgegangen war, nicht tödlich getroffen hatte. Doch das gefährdete die Sicherheit nicht. Vermutlich wußte der Mann sowieso nichts. Obwohl sie nicht sicher sein konnten.
Falk hatte es selbst gesagt: Nichts ist jemals vollkommen sicher. Jetzt war er tot. Sein Tod hatte ihm recht gegeben. Nichts war wirklich hundertprozentig sicher.
Sie mußten vorsichtig sein. Der Mann, der jetzt allein alle Entscheidungen treffen mußte, hatte ihm geraten abzuwarten. Es würde unnötiges Aufsehen erregen, wenn der Polizist noch einmal angegriffen und dabei getötet würde. Es gab auch keinen Grund anzunehmen, daß die Polizisten die geringste Ahnung davon hatten, was eigentlich vorging.
Er hatte das Haus in der Apelbergsgata beobachtet. Als der Polizist das Haus verlassen hatte, war er ihm zum Runnerströms Torg gefolgt. Es war, wie er erwartet hatte. Sie hatten das geheime Büro entdeckt. Später war noch jemand gekommen. Ein Mann, der Taschen hineingetragen hatte. Der Polizeibeamte hatte danach das Haus verlassen und war nach einer Stunde zurückgekehrt. Vor Mitternacht hatten beide Falks Büro endgültig verlassen.
Er hatte weiter gewartet und geduldig seinen Atemzügen gelauscht. Jetzt war es drei Uhr in der Nacht, und die Straße wirkte verlassen. Der kühle Wind ließ ihn frösteln. Es war unwahrscheinlich, daß jetzt noch jemand kommen würde. Vorsichtig trat er aus dem Schatten und überquerte die Straße. Er schloß die Haustür auf und stieg mit lautlosen Schritten die Treppen bis zum Dachgeschoß hinauf. Er trug Handschuhe, als er aufschloß. Er ging hinein, knipste die Taschenlampe an und leuchtete die Wände ab. Sie hatten die Tür zu dem hinteren Raum gefunden. Das hatte er erwartet. Ohne genau zu wissen warum, hatte er Respekt vor dem Polizisten, den er in der Wohnung getroffen hatte. Er hatte sehr schnell reagiert, obwohl er nicht mehr jung war. Auch das war etwas, was er schon früh gelernt hatte. Einen |228| Gegner zu unterschätzen war eine genauso schwere Sünde wie die Habgier.
Er richtete den Strahl der Taschenlampe auf den Computer. Dann startete er ihn. Der Bildschirm leuchtete auf. Er suchte nach einem Menü, aus dem er ersehen konnte, wann der Computer zuletzt gelaufen war. Es war sechs Tage her. Also hatte die Polizei ihn nicht einmal gestartet.
Dennoch war es zu früh, sich in Sicherheit zu wiegen. Es konnte eine Frage der Zeit sein. Oder vielleicht wollten sie einen Spezialisten zu Rate ziehen. Seine Unruhe kehrte zurück. Aber er war überzeugt davon, daß sie die Codes nie würden knacken können. Und wenn sie tausend Jahre daran säßen. Es sei denn, einer der Polizisten verfügte über eine extrem gute Intuition. Oder einen Scharfsinn, der alles übertraf. Aber das war unwahrscheinlich. Besonders weil sie nicht wußten, wonach sie suchen mußten. Nicht einmal in ihren wildesten Phantasien würden sie sich vorstellen können, welche Kräfte in diesem Computer gesammelt waren und nur darauf warteten, freigesetzt zu werden.
Er verließ die Wohnung ebenso leise, wie er gekommen war.
Dann war er wieder in den Schatten verschwunden.
*
Wallander erwachte mit dem Gefühl, verschlafen zu haben. Aber die Uhr zeigte fünf nach sechs. Er hatte drei Stunden geschlafen. Er ließ sich aufs Kissen zurückfallen. Er hatte Kopfschmerzen vor Schlafmangel. Noch zehn Minuten, dachte er. Oder sieben. Gerade jetzt schaffe ich es nicht aufzustehen.
Doch dann sprang er sofort aus dem Bett und taumelte ins Badezimmer. Seine Augen waren blutunterlaufen. Er stellte sich unter die Dusche und lehnte sich schwer wie ein Pferd an die Wand. Langsam kehrten die Lebensgeister zurück.
Um fünf vor sieben bremste er auf dem Parkplatz vor dem Präsidium. Der Nieselregen hielt an. Hansson war an diesem Morgen ungewöhnlich früh gekommen. Er stand in der Anmeldung und blätterte in einer Zeitung. Und er trug einen Anzug mit Schlips. Normalerweise präsentierte er sich in ausgebeulten Kordhosen und ungebügelten Hemden.
|229| »Hast du Geburtstag?« fragte Wallander verwundert.
Hansson schüttelte den Kopf. »Ich habe mich zufällig dieser Tage im Spiegel gesehen. Es war kein schöner Anblick. Ich dachte, ich
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