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Wallander 09 - Der Feind im Schatten

Wallander 09 - Der Feind im Schatten

Titel: Wallander 09 - Der Feind im Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Ministerpräsidenten redeten, der zwanzig Jahre zuvor ermordet wurde?«
    »Ich meine genau das, was ich sage. Sten Berntsius fing an, davon zu reden, dass Palme ein Spion für die Sowjetunion gewesen sei, ein Kryptokommunist, Landesverräter und Gott weiß was noch.«
    »Waren Louise und Håkan auch dieser Meinung?«
    »Ich glaube, dass Håkan leider der gleichen Ansicht war. Louise sagte nicht viel, versuchte abzuwiegeln. Aber es war eine unschöne Stimmung.«
    Wallander versuchte nachzudenken. Für ihn war Olof Palme vor allem ein Beispiel für das dramatische Scheitern der schwedischen Polizei. Er hatte kaum eine Erinnerung an Palme als Politiker. Ein Mann mit scharfer Stimme und einem nicht immer freundlichen Lächeln? Er konnte nicht sagen, welche der Bilder in seinem Kopf echt waren. Zu Palmes Zeit hatte er sich für Politik am allerwenigsten interessiert. Es waren die Jahre, in denen er versucht hatte, Ordnung in sein eigenes Leben zu bringen. Außerdem musste er mit seinem aufsässigen Vater zurechtkommen.
    »Palme war Ministerpräsident, als damals die U-Boote in unseren Gewässern gründelten«, sagte er. »Ich vermute, dass in diesem Zusammenhang die Rede auf ihn kam?«
    »Eigentlich nicht. Wenn ich es richtig mitbekommen habe, handelte es sich vor allem um den Niedergang der schwedischen Streitkräfte, der angeblich in seiner Zeit einsetzte. Ihn allein machte man dafür verantwortlich, dass Schwedensich nicht mehr würde verteidigen können. Berntsius erklärte, es sei ein großer Irrtum, zu glauben, Russland würde immer so friedlich sein wie im Moment.«
    »Wo standen die von Enkes eigentlich politisch?«
    »Sie waren beide äußerst konservativ. Aber Louise versuchte den Eindruck zu vermitteln, als lehnte sie alles ab, was mit Politik zu tun hatte. Doch das stimmte nicht.«
    »Sie hatte also doch eine Maske?«
    »Vielleicht. Lass von dir hören, wenn du auf etwas Wichtiges stößt.«
    Wallander ging nach draußen und gab Jussi Futter. Der Hund sah zottelig und müde aus. Wallander fragte sich, ob es stimmte, dass Hunde und ihre Besitzer einander immer ähnlicher wurden. Falls es so war – hatte das Alter jetzt schon zugeschlagen? War er schon in der Nähe des Greisenalters und wurde immer kraftloser? Er schüttelte den Gedanken ab und ging wieder hinein. Aber als er sich an den Küchentisch setzte, überkam ihn ein Gefühl der Sinnlosigkeit. Es gab nichts in den Gästelisten oder unter den Fotos, was ein Licht auf die Verschwundenen werfen könnte. Absolut nichts. Was auch geschehen war, es musste andere Erklärungen geben. Sein Suchen war sinnlos. Er suchte nicht nach einer Nadel, sondern nach einem Heuhaufen.
    Wallander sammelte alles zusammen, was auf dem Tisch verstreut war, und legte es auf den Tisch im Flur. Er würde die Tüten am nächsten Tag zurückbringen und danach versuchen, nicht mehr an die tote Louise und den verschwundenen Håkan zu denken. Sie würden zu gegebener Zeit nach Östergötland hinauffahren zur Kristbergs Kyrka, die schön über dem See Boren gelegen war. Dort hatten die von Enkes seit hundert Jahren ein Familiengrab, in dem Louise beigesetzt werden würde. Hans hatte ihm erzählt, dass seine Eltern in einem gemeinsam aufgesetzten Testament verfügt hatten, nicht eingeäschert zu werden. Wallander setzte sich in seinen Lesesessel und schloss die Augen. Was wollte erselbst? Er hatte kein Familiengrab und keine Grabzugehörigkeit. Seine Mutter lag in einem Gedenkhain in Malmö, sein Vater auf einem Friedhof in Ystad. Welche Pläne seine Schwester Kristina in Stockholm hatte, wusste er nicht.
    Er nickte im Sessel ein und wachte mit einem Ruck wieder auf. Horchte hinaus in die Sommernacht. Das Bellen des Hundes hatte ihn geweckt. Er stand auf. Sein Hemd war durchgeschwitzt, er musste geträumt haben. Jussi bellte selten ohne Grund. Als er sich zu bewegen begann, merkte er, dass seine Beine steif geworden waren. Er schüttelte sie und horchte weiter in die Sommernacht hinaus. Jussi war wieder still. Wallander trat auf die Haustreppe. Jussi sprang sogleich am Gitter hoch und winselte. Wallander blickte sich um. Vielleicht ein streunender Fuchs, dachte er. Er ging über den Hof. Das Gras duftete. Windstille. Er kraulte Jussi hinter den Ohren. Was hat dich bellen lassen, sagte er mit leiser Stimme. Ein Tier? Oder können Hunde auch Alpträume haben? Er ging vor zum Ackerrand und spähte über die Felder. Überall Schatten, im Osten ein schwacher Glanz von Morgenlicht. Er sah auf

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