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Wallander 09 - Der Feind im Schatten

Wallander 09 - Der Feind im Schatten

Titel: Wallander 09 - Der Feind im Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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die Uhr. Viertel vor zwei. Er hatte fast vier Stunden in seinem Sessel geschlafen. Das schweißnasse Hemd ließ ihn frösteln, er kehrte ins Haus zurück und legte sich ins Bett. Aber er konnte nicht einschlafen. Kurt Wallander liegt in seinem Bett und denkt an den Tod, sagte er laut zu sich selbst. Es war wahr. Er dachte wirklich an den Tod. Doch das tat er oft. Seit dem Tag, an dem er als junger Polizist von einem Messerstecher nur ein paar armselige Zentimeter vom Herzen entfernt getroffen worden war, hatte der Tod ihn durchs Leben begleitet. Jeden Morgen sah er ihn im Spiegel. Aber jetzt war er ihm plötzlich ganz nah gekommen. Er war sechzig Jahre alt, Diabetiker, mit leichtem Übergewicht, er vernachlässigte seine Gesundheit, bewegte sich zu wenig, trank zu viel, aß ungesund und hielt sich nicht an feste Zeiten. In regelmäßigen Abständen zwang er sich zur Disziplin, die jedoch bald wieder zusammenbrach.Er lag dort im Dunkeln und bekam Panik. Es gab keine Spielräume mehr. Er hatte keine Wahl. Entweder von Grund auf sein Leben ändern oder frühzeitig sterben. Entweder zumindest versuchen, siebzig Jahre alt zu werden, oder sich darauf einstellen, dass der Tod jeden Augenblick zuschlagen konnte. Dann würde Klara ohne ihren Großvater mütterlicherseits aufwachsen, ebenso wie sie aus noch unbekannter Ursache ihrer Großmutter väterlicherseits beraubt worden war.
    Bis vier lag er wach. Die Angst kam und ging in Wellen. Als er schließlich einschlief, war sein Herz schwer von Trauer darüber, dass ein so großer Teil seines Lebens unwiderruflich vorbei war.
    Er war gerade wach geworden, kurz nach sieben, unausgeschlafen und mit Kopfschmerzen, als das Telefon klingelte. Zuerst wollte er es klingeln lassen. Vermutlich war es Linda, die nur ihre Neugier stillen wollte. Sie konnte warten. Sie wusste, dass er schlief, wenn er sich nicht meldete. Aber beim vierten Klingeln sprang er doch aus dem Bett und riss den Hörer an sich.
    Es war Ytterberg, der sich frisch und energisch anhörte. »Habe ich dich geweckt?«
    »Beinahe. Ich versuche, Urlaub zu machen«, sagte Wallander. »Es gelingt mir nur nicht besonders gut.«
    »Ich will mich kurzfassen. Aber ich nehme an, du willst wissen, was ich hier in der Hand habe. Ein Papier aus der Gerichtsmedizin. Von Doktor Anahit Indoyan. Ich habe einige Zeit gebraucht, um herauszufinden, dass es sich um eine Frau handelt.«
    »Ein eigentümlicher Name«, sagte Wallander.
    »Unser ganzes Land füllt sich allmählich mit eigentümlichen Namen«, sagte Ytterberg finster. »Aber ich meine das natürlich nicht negativ. Es ist eine schlechte Angewohnheit, sich darüber zu wundern, dass nicht mehr alle Andersson heißen.«
    »Wallander und Ytterberg schneiden ganz gut ab«, sagte Wallander. »Mehr als ein paar Tausend gibt es von uns wohl nicht.«
    »Anahit Indoyan«, sagte Ytterberg. »Den Personalangaben zufolge, die ich aus reiner Neugier abgefragt habe, ist sie Armenierin. Sie schreibt ein fehlerfreies Schwedisch. Sie hat eine Analyse der chemischen Substanzen erstellt, die in Louise von Enkes Körper gefunden wurden. Sie ist dabei auf etwas gestoßen, was ihr Kopfzerbrechen bereitet.«
    Wallander hielt den Atem an, während er auf die Fortsetzung wartete.
    Er hörte Ytterberg in den Papieren blättern. »Ohne Zweifel handelt es sich um Substanzen, die man etwas vereinfacht als Schlafmittel bezeichnen kann«, fuhr Ytterberg fort. »Einen Teil der chemischen Bestandteile kann sie identifizieren. Aber es gibt andere, die sie nicht kennt. Genauer gesagt, sie kann nicht benennen, um welche Substanzen es sich handelt. Sie denkt natürlich nicht daran, aufzugeben. Aber sie erlaubt sich eine sehr interessante Beobachtung am Ende ihres vorläufigen Berichts. Sie meint, vage Ähnlichkeiten mit bestimmten Präparaten zu sehen, die seinerzeit in der DDR benutzt wurden.«
    »In der DDR?«
    »Du bist wohl doch noch nicht richtig wach?«
    Wallander begriff den Zusammenhang nicht.
    »Ostdeutschland. Das Sportwunder. Erinnerst du dich? All die souveränen Schwimmer und Leichtathleten. Heute wissen wir, dass sie in einem beispiellosen Ausmaß der Behandlung mit chemischen Mitteln ausgesetzt waren. Die ostdeutschen Wundersportler waren eigentlich nichts anderes als narkotisierte Monster. Es herrscht kein Zweifel, dass alles zusammenhing. Was die Stasi machte, ging Hand in Hand mit dem, womit man sich in den Sportlaboratorien beschäftigte. Sie haben ihre Erfahrungen ausgetauscht. Deshalb«, schloss

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