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Wallander 09 - Der Feind im Schatten

Wallander 09 - Der Feind im Schatten

Titel: Wallander 09 - Der Feind im Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Ytterberg, »erlaubt sich die gute Anahit, dieAhnung auszusprechen, dass die Substanzen, die sie gefunden hat, mit der früheren DDR in Verbindung gebracht werden können.«
    »Die seit zwanzig Jahren nicht mehr existiert?«
    »Nicht ganz zwanzig, aber bald. 1989 wurde die Berliner Mauer zerschlagen. An das Datum erinnere ich mich, weil ich in dem Jahr geheiratet habe.«
    Ytterberg verstummte.
    Wallander versuchte nachzudenken. »Das klingt sonderbar«, sagte er schließlich.
    »Nicht wahr? Ich dachte mir doch, dass es dich interessiert. Soll ich dir eine Kopie ins Präsidium schicken?«
    »Ich habe Ferien. Aber ich hole sie mir ab.«
    »Fortsetzung folgt«, sagte Ytterberg. »Jetzt gehe ich mit meiner Frau in den Wald.«
    Wallander legte auf. Ytterbergs Bericht hatte ihn auf eine Idee gebracht. Er wusste, was er tun würde.
    Kurz nach acht setzte er sich in seinen Wagen, und nachdem er den Bericht im Polizeipräsidium abgeholt hatte, fuhr er in Richtung Nordosten. Sein Ziel war ein kleines Haus in der Nähe von Höör, das schon vor vielen Jahren seine besten Tage gesehen hatte.

 
22
     
    Auf dem Weg nach Höör tat Wallander etwas, was er sich nur selten gestattete. Er bremste nördlich von Ystad und nahm eine Anhalterin mit. Die Frau war um die dreißig und hatte langes dunkles Haar. Sie trug einen kleinen Rucksack über der einen Schulter. Warum er anhielt, hätte er nicht sagen können, vielleicht war es reine Neugier. Im Laufe der Jahre waren fast alle Anhalter von den Einfahrten in die Städte und von den Landstraßen verschwunden. Billige Busfahrten und Flüge hatten diese Art des Reisens veralten lassen.
    Er selbst war in seiner Jugend, im Alter von siebzehn und achtzehn Jahren, zweimal per Anhalter nach Europa gefahren, obwohl sein Vater ein entschiedener Gegner derartiger Abenteuer war. Beide Male hatte er es nach Paris und anschließend wieder nach Hause geschafft. Trostloses Warten an nassen Straßenrändern, der viel zu schwere Rucksack und Fahrer, die ihn langweilten, waren ihm in Erinnerung geblieben. Aber auch zwei positive Erlebnisse. Das eine Mal hatte er in Belgien in der Nähe von Gent im Regen gestanden, er hatte kaum noch Geld und war auf dem Weg nach Hause. Da hatte ein Wagen angehalten und ihn bis Helsingborg mitgenommen. Das Glücksgefühl, in einem Rutsch bis nach Schweden zu kommen, hatte er nie vergessen. Die zweite Erinnerung hatte auch mit Belgien zu tun. An einem Samstagabend, diesmal auf dem Weg nach Paris, war er in einer abgelegenen kleinen Ortschaft an einer Nebenstraße gestrandet. Er hatte sich in einem billigen Restaurant einen Teller Suppe geleistet und war danach losgezogen, um eineBrücke zu finden, unter der er schlafen konnte. Plötzlich hatte er an der Straße einen Mann gesehen, der vor einem Monument eine Trompete an den Mund hob und ein trauriges Tattoo spielte. Er hatte verstanden, dass es ein Akt des Gedenkens an die Soldaten war, die in den beiden Weltkriegen gefallen waren. Er vergaß den ergreifenden Moment nie.
    Aber an diesem frühen Morgen stand eine Frau am Straßenrand und streckte den Daumen in die Höhe. Es kam ihm vor, als wäre sie einer anderen Zeit entsprungen. Sie lief dem Wagen nach, als er anhielt, und setzte sich neben ihn. Sie schien zufrieden zu sein, nach Höör zu kommen, und wollte dann weiter nach Småland. Sie roch stark nach Parfüm und wirkte sehr müde. Auf ihrem Rock, den sie über die Knie zog, ahnte er Flecken irgendeiner Flüssigkeit. Schon als er bremste, hatte er es bereut. Warum sollte er einen wildfremden Menschen mitnehmen? Worüber sollte er mit der Frau reden? Sie schwieg, Wallander ebenso. Es klingelte in ihrem Rucksack. Sie holte ihr Handy heraus, blickte aufs Display, nahm das Gespräch aber nicht an.
    »Sie stören«, sagte Wallander, »die Handys.«
    »Man muss ja nicht antworten, wenn man nicht will.«
    Sie sprach ein breites Schonisch. Wallander tippte auf Malmö, Arbeitermilieu. Er versuchte, sich ihre Arbeit vorzustellen, ihr Leben. Sie trug keinen Ring an der linken Hand. Der schnelle Blick auf ihre Hände zeigte bis aufs Nagelbett abgekaute Nägel. Wallander verwarf den Gedanken, dass sie in der Krankenpflege oder als Friseuse arbeitete. Kellnerin war sie wohl auch nicht. Sie wirkte unruhig, biss sich auf die Unterlippe.
    »Haben Sie lange gewartet?«, fragte er.
    »Vielleicht eine Viertelstunde. Aus dem vorigen Wagen musste ich aussteigen. Der Fahrer wurde zudringlich.«
    Sie hörte sich sachlich an, abwesend, als

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