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Wallander 09 - Der Feind im Schatten

Wallander 09 - Der Feind im Schatten

Titel: Wallander 09 - Der Feind im Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Heimweg gekauft hatte, sagte er sich, dass er, solange er in seinem Leben zurückdenken konnte, immer eine tiefe Befriedigung dabei empfunden hatte, ungestört zu essen und dabei eine Zeitung durchzublättern. Doch diesmal hatte er kaum die Zeitung aufgeschlagen, als ihm unter einer dramatischen Überschrift die vergrößerte Fotografie eines Gesichts entgegensprang. Er glaubte, nicht richtig zu sehen. Aber er hatte ein Bild der Anhalterin vor sich. Mit wachsender Entgeisterung las er, dass sie am Tag zuvor in einer Wohnung an der Södra Förstadsgata in Malmö ihre Eltern erschlagen hatte und seitdem flüchtig war. Über das Tatmotiv konnte die Polizei keine Angaben machen. Aber es bestand kein Zweifel daran, dass sie den brutalen Mord begangen hatte, und sie hieß mitnichten Carola, sondern Anna-Lena. Ein Polizeibeamter, an dessen Namen Wallander sich vage zu erinnern meinte, beschrieb das Geschehene als eine beispiellose Gewalttat, eine Wut, die außer Kontrolle geraten war, ein Blutbad in einer kleinen Wohnung, in der die Familie gelebt hatte. Jetzt fahndete die Polizei landesweit nach der Frau. Wallander schob die Zeitung und den Teller von sich. Versuchte noch einmal zu denken, dass er sich etwas einbildete. Es konnte nicht dieselbe Frau sein.
    Dann griff er zum Telefon und wählte Martinssons private Nummer. »Komm her«, sagte er. »Zu mir nach Hause.«
    »Ich bade gerade mit meinen Enkelkindern«, sagte Martinsson. »Kann es nicht warten?«
    »Nein. Kann es nicht.«
    Exakt dreißig Minuten später fuhr Martinsson vor dem Haus vor. Wallander stand schon am Gartentor und erwartete ihn. Nach dem Regen hatte es sich aufgeklärt. Martinsson, der Wallanders Verhaltensweisen gut kannte, zweifelte nicht daran, dass etwas Ernstes geschehen war. Jussi sprang um Martinssons Beine. Es kostete Wallander einige Mühe, den Hund dazu zu bewegen, »Platz« zu machen.
    »Endlich hast du ihn ja so weit, dass er gehorcht«, sagte Martinsson.
    »Nicht unbedingt. Setzen wir uns in die Küche.«
    Sie gingen hinein. Wallander zeigte auf das Bild in der Zeitung. »Diese Frau habe ich vor ein paar Stunden nach Höör mitgenommen«, sagte er. »Sie sei auf dem Weg nach Småland, hat sie gesagt. Aber das muss ja nicht stimmen. Aufgrund der Bilder in dieser Zeitung ist sie mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit schon erkannt worden. Aber die Polizei muss bei ihrer Suche von Höör ausgehen.«
    Martinsson starrte Wallander an. »Ich meine mich ziemlich gut zu erinnern, erst letztes Jahr mit dir darüber gesprochen zu haben, dass wir nie Anhalter mitnehmen, weder du noch ich.«
    »Ich habe heute Morgen eine Ausnahme gemacht.«
    »Auf dem Weg nach Höör?«
    »Ich habe da einen alten Freund.«
    »In Höör?«
    »Du weißt vielleicht nicht alles darüber, wo ich Freunde habe. Warum sollte ich keinen Freund in Höör haben? Hast du nicht einen guten Freund auf den Hebriden? Jedes Wort, das ich sage, ist wahr.«
    Martinsson nickte. Er zog einen Notizblock aus der Tasche. Sein Kugelschreiber funktionierte nicht. Wallander gab ihm einen anderen und legte ein Handtuch über dasEssen, auf das sich eine Fliege gesetzt hatte. Martinsson schrieb auf, wie die Frau gekleidet war, was sie gesagt hatte, die genauen Zeiten.
    Er hielt schon das Telefon in der Hand, als Wallander ihn bremste. »Vielleicht kann man sagen, dass du den Tipp anonym bekommen hast.«
    »So viel habe ich mir auch schon gedacht. Nicht dass es ein bekannter Polizeibeamter war, der einer Anhalterin auf der Flucht geholfen hat.«
    »Ich wusste nicht, wer sie war.«
    »Aber du weißt genauso gut wie ich, was die Zeitungen schreiben werden. Wenn die Wahrheit ans Licht kommt. Du bist dann eine willkommene Neuigkeit in der Sauregurkenzeit.«
    Wallander hörte zu, als Martinsson im Präsidium anrief.
    »Es war ein anonymer Anruf«, schloss Martinsson. »Wie er meine Privatnummer bekommen hat, weiß ich nicht. Aber der Mann wirkte nüchtern und durchaus glaubwürdig.«
    Das Gespräch war beendet.
    »Wer ist um die Mittagszeit nicht nüchtern?«, sagte Wallander säuerlich. »War das nötig?«
    »Wenn wir die Frau schnappen, gibt sie an, dass sie von einem unbekannten Mann mitgenommen wurde. Das ist alles. Sie wird nicht erfahren, dass du es warst. Und sonst auch keiner.«
    Wallander fiel plötzlich noch etwas ein, was die Anhalterin gesagt hatte. »Sie sagte, sie sei bis zu dem Punkt, von wo ich sie mitgenommen habe, mit einem Auto gefahren, dessen Fahrer aufdringlich geworden sei. Das habe

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