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Wallander 09 - Der Feind im Schatten

Wallander 09 - Der Feind im Schatten

Titel: Wallander 09 - Der Feind im Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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verlieren. »Wer die gestorbene Person ist, spielt im Augenblick gar keine Rolle«, sagte er mit einer gewissen Schärfe. »Ich möchte nur wissen, ob du diese Substanzen identifizieren kannst.«
    »Sie sind mir schon einmal begegnet.«
    »Die Antwort reicht mir nicht. Du musst dich klarer ausdrücken. Vergiss nicht, dass du mir versprochen hast, mir einen Gefallen zu tun, wenn ich einmal darum bäte.«
    »Das habe ich nicht vergessen.«
    Eber schüttelte den Kopf.
    Wallander sah, dass die Situation ihn quälte. »Lass dir Zeit«, sagte er. »Ich brauche deine Antwort, deine Meinung und deine Gedanken dazu. Aber ich habe es nicht eilig. Wenn du willst, kann ich später wiederkommen.«
    »Nein, nein, bleib! Ich muss mich nur in die Vergangenheit zurückversetzen. Es ist, als müsste ich einen Tunnel aufgraben, den ich sorgfältig zugeschüttet hatte.«
    Wallander stand auf. »Ich mache einen Spaziergang. Ich sehe mir die Islandpferde an.«
    »Eine halbe Stunde, mehr brauche ich nicht.« Herman Eber wischte sich den Schweiß von der Stirn.
    Wallander wanderte aus der Talsenke hinaus und ging zur nächstgelegenen Koppel. Die Pferde kamen an den Zaun und schnupperten an seinen Händen. Eine Erinnerung an Linda ging ihm durch den Kopf. Als sie zwölf Jahre alt war, kam sie eines Tages aus der Schule und erklärte, sie wolle ein Pferd haben. Es war in der schwierigsten Phase, die Mona und er miteinander erlebt hatten und die später auch zu Monas endgültigem Aufbruch führte. Wallander hatte sogleich an seinen Freund Sten Widén gedacht, den Trabertrainer. Er hielt immer ein paar Reitpferde in seinem großen Stall und würde es sicher erlauben, dass Linda sich dort aufhielt. Aber Mona hatte nein gesagt. Es hatte damit geendet,dass Linda sich in ihrem Zimmer einschloss. Was weiter geschah, wusste er nicht mehr genau. Aber Linda hatte nie wieder von Pferden gesprochen, nie mehr.
     
    Wallander ging zurück, als eine halbe Stunde vergangen war. Es war windig geworden, von Süden zog eine Wolkenbank heran. Herman Eber saß reglos auf seinem Gartenstuhl, als Wallander das morsche Tor öffnete. Jetzt lag ein weiteres Buch auf dem Tisch, ein alter Taschenkalender mit braunem Deckel. Eber begann zu sprechen, sobald Wallander sich gesetzt hatte. Wenn er erregt war wie jetzt, konnte seine Stimme schrill werden, fast kreischend. Wallander hatte sich bei mehreren Gelegenheiten mit einem Gefühl der Beklemmung vorgestellt, wie es gewesen wäre, von Herman Eber verhört zu werden, als der Mann noch fest davon überzeugt war, die DDR sei das Paradies auf Erden.
    »Igor Kirov«, begann Eber. »Auch ›Boris‹ genannt. Das war sein Künstlername, sein Pseudonym. Ein Russe, verantwortlicher V-Mann zu einer der Spezialabteilungen des KGB in Moskau. Er kam einige Monate vor dem Bau der Mauer nach Ostberlin. Ich bin ihm ein paar Mal begegnet, hatte aber nicht direkt mit ihm zu tun. Das Gerücht sprach eine eindeutige Sprache: ›Boris‹ beherrschte sein Metier. Er duldete in seiner Nähe keine Unregelmäßigkeiten und keine Nachlässigkeit. Es dauerte nur ein paar Monate, bis einige der höchsten Stasi-Beamten versetzt oder degradiert waren. Er war der russische Star, könnte man sagen, der gefürchtete zentrale Mann des KGB in Ostberlin. Er war noch kein halbes Jahr bei uns, da hatte er schon eins der besten Agentennetze der Briten gesprengt. Drei oder vier ihrer Agenten wurden nach geheimen und pauschalen Prozessen hingerichtet. Im Normalfall hätte man sowjetische oder ostdeutsche Agenten, die in London inhaftiert waren, gegen sie ausgetauscht. Aber ›Boris‹ ging direkt zu Ulbricht und verlangte die Hinrichtung der englischen Agenten. Es sollte ein deutlichesWarnsignal sein, sowohl ans Ausland als auch an jene, die möglicherweise in Ostdeutschland daran dachten, Landesverrat zu begehen. Schon vor Ablauf eines Jahres war ›Boris‹ in Ostberlin eine gefürchtete Legende. Es hieß, dass er ein einfaches Leben führte. Niemand wusste, ob er verheiratet war, ob er Kinder hatte, ob er trank oder auch nur, ob er Schach spielte. Das Einzige, was sich mit Sicherheit sagen ließ, war, dass er die hervorragende Fähigkeit besaß, eine effektive organisatorische Zusammenarbeit zwischen der Stasi und dem KGB zu schaffen. Als das Ende kam, standen alle mit offenen Mündern da. Ganz Ostdeutschland hätte den nationalen Mund aufgerissen, wenn man die Öffentlichkeit informiert hätte über das, was geschehen war. Aber es wurde natürlich

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