Wallander 09 - Der Feind im Schatten
Seeverteidigung eintreten sollte. Im September hielten die Staaten des Warschauer Pakts Manöver an der ostdeutschen Küste und in der Pommerschen Bucht ab. MILOBALT hieß ein Manöver, daran erinnere ich mich noch. Es war nichts Ungewöhnliches dabei, sie hielten ihre Herbstmanöver meistens etwa zur gleichen Zeit ab wie wir. Es war jedoch eine große Anzahl von Schiffen beteiligt, weil sie sowohl Landungsmanöver als auch U-Boot-Bergung übten. Das hatten wir ohne große Anstrengung herausgefunden. Von der Funküberwachung wurden wir informiert, dass zwischen den russischen Kriegsschiffen und ihrer Heimatbasisvor Leningrad ein lebhafter Signalaustausch stattfand. Aber alles war im Bereich des Normalen, wir beobachteten ihre Aktivitäten und notierten das, was wir für wichtig hielten, in unseren Logbüchern. Aber dann kam dieser Donnerstag, es war der achtzehnte September, das Datum werde ich wohl nie vergessen. Plötzlich rief uns der wachhabende Offizier auf einem der Schlepper der Küstenflotte, der HMS Ajax, an und meldete, dass sie ein fremdes U-Boot in schwedischen Gewässern gesichtet hätten. Ich befand mich im Kartenraum des Stützpunkts, um nach einer detaillierteren Übersichtskarte der ostdeutschen Küste zu suchen, als ein nervöser Wehrpflichtiger in den Raum stürmte. Er vermochte nicht zu erklären, was passiert war, also ging ich zurück in die Kommandozentrale und sprach selbst mit dem Wachhabenden auf der Ajax. Er berichtete, er habe in dreihundert Meter Entfernung im Fernglas plötzlich die Antennen des U-Boots entdeckt. Nach fünfzehn Sekunden tauchte das U-Boot. Der Wachhabende, ein aufgeweckter Kerl, sagte, das U-Boot habe wahrscheinlich auf Schnorcheltiefe gelegen und sei dann, nachdem sie den schwedischen Schlepper entdeckt hatten, abgetaucht. Die Ajax befand sich südlich von Huvudskär, als dieser Vorfall sich ereignete, und das U-Boot hatte einen südwestlichen Kurs gehalten, lief also parallel zur schwedischen Hoheitsgrenze. Aber ganz eindeutig auf der schwedischen Seite. Ich brauchte nicht lange, um herauszufinden, ob sich in diesem Seegebiet schwedische U-Boote aufhielten. Das war nicht der Fall. Ich nahm erneut Funkkontakt zur HMS Ajax auf und fragte den Wachhabenden, ob er den Mast oder das Periskop beschreiben könne. Nach seiner Schilderung war mir sofort klar, dass es sich um ein U-Boot des Typs handelte, den die Nato Whiskey nannte. Und die wurden zu jener Zeit ausschließlich von Russen und Polen benutzt. Du kannst sicher verstehen, dass mir das Herz schneller schlug, als ich dies hörte. Gleichzeitig stellten sich mir zwei andere Fragen.«
Von Enke verstummte, als erwartete er, dass Wallander wüsste, was für Fragen ihm durch den Kopf gingen. Vor der Tür war aufgekratztes Lachen zu hören, das sich wieder entfernte.
»Du hast dich wohl gefragt, ob das U-Boot sich irrtümlich in schwedischen Gewässern befand«, sagte Wallander. »Wie man damals behauptete, als dieses andere russische U-Boot vor Karlskrona auf Grund lief.«
»Die Frage hatte ich schon beantwortet. Bei keinem Kriegsschiff kommt es so sehr auf genaue Navigation an wie bei einem U-Boot. Der Grund ist einleuchtend. Das U-Boot, auf das die Ajax gestoßen war, befand sich mit voller Absicht da, wo es war. Also stellt sich die Frage: Wer war es? Schnorcheln und das U-Boot durchlüften, ohne entdeckt zu werden? Wenn das gelang, war es ein Zeichen dafür, dass die Besatzung nicht aufmerksam genug war. Aber es gab natürlich auch eine andere Möglichkeit.«
»Dass das U-Boot entdeckt werden wollte?«
Von Enke nickte und versuchte erneut, seine widerspenstige Pfeife anzuzünden. »Und für den Fall«, fuhr er fort, »war ein Schlepper absolut ideal. Auf einem solchen Schiff gibt es kaum eine Zwille, um jemanden anzugreifen. Und auch die Besatzung ist nicht für Konfrontationen ausgebildet. Weil ich der Dienst habende Chef war, rief ich den Oberbefehlshaber an, und er war mit mir darin einig, dass wir unmittelbar einen Hubschrauber einsetzen sollten, der auf U-Boot-Jagd spezialisiert war. Der Hubschrauber bekam auch Sonarkontakt zu einem beweglichen Objekt, das wir als U-Boot klassifizierten. Zum ersten Mal in meinem Leben musste ich einen Feuerbefehl geben, der nicht nur Übungszwecken galt. Der Hubschrauber warf eine Unterwasserbombe ab, um das U-Boot zu warnen. Danach verschwand es, wir verloren den Kontakt.«
»Wie konnte es einfach verschwinden?«
»U-Boote haben viele Möglichkeiten, sich unsichtbar
Weitere Kostenlose Bücher