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Wallander 09 - Der Feind im Schatten

Wallander 09 - Der Feind im Schatten

Titel: Wallander 09 - Der Feind im Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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was passierte?«
    Ein Zucken lief über Håkan von Enkes Gesicht, als wäre er verärgert über die Unterbrechung. Aber als er fortfuhr, war ihm nichts anzumerken. »Wir hatten das U-Boot in eine Ecke gedrängt, wo es keine Manövriermöglichkeit mehr gab, ohne dass wir sie zuließen. Ich sprach mit dem Oberbefehlshaber und sagte: ›Jetzt holen wir es mit Unterwasserbomben hoch.‹ Wir brauchten noch eine Stunde zur Vorbereitung der Operation. Dann würden wir der Welt zeigen, was für ein fremdes U-Boot da in schwedischen Hoheitsgewässern operierte. Eine halbe Stunde verging. Die Zeiger der Uhr an der Wand bewegten sich unerträglich langsam. Ich hatte ununterbrochen Kontakt mit den Hubschraubern und den Schiffen, die in einem Kreis um das U-Boot herumlagen. Es vergingen fünfundvierzig Minuten, die Zeit war fast gekommen. Da geschah es.«
    Von Enke brach plötzlich ab und verließ den Raum. Wallander fragte sich, ob ihm unwohl geworden sei. Nach einigen Minuten kam der Korvettenkapitän jedoch mit zwei Gläsern Cognac zurück.
    »Kalter Winterabend«, sagte er. »Wir brauchen etwas, umuns zu wärmen. Keiner scheint uns zu vermissen. Wir können also unseren Plausch in diesem alten Kassenraum fortführen.«
    Wallander wartete auf die Fortsetzung. Auch wenn es nicht hundertprozentig faszinierend war, sich alte U-Boot-Geschichten anzuhören, zog er von Enkes Gesellschaft doch der Konversation mit völlig unbekannten Menschen vor.
    »Da geschah es«, wiederholte von Enke. »Vier Minuten vor dem Einsatz klingelte das Telefon, durch das wir direkt mit dem Führungsstab verbunden waren. Soweit ich weiß, war es eins der wenigen Telefone, die abhörsicher und außerdem mit einem automatischen Stimmenverzerrer ausgerüstet waren. Ich bekam eine Mitteilung, die ich nicht erwartet hatte. Kannst du dir vorstellen, welche?«
    Wallander schüttelte den Kopf und wärmte das Cognacglas zwischen den Händen.
    »Es kam der Befehl, den bewaffneten Einsatz abzubrechen. Mir verschlug es die Sprache, und ich bat um eine Erklärung. Aber ich bekam zunächst keine. Nur diesen direkten Befehl, keine Unterwasserbomben einzusetzen. Natürlich blieb mir nichts anderes übrig, als zu gehorchen. Als der Befehl die Hubschrauberpiloten erreichte, fehlten noch zwei Minuten. Keiner von uns, die da in Berga saßen, verstand, was da los war. Dann vergingen exakt zehn Minuten bis zum nächsten Befehl. Der war noch unerklärlicher, wenn das überhaupt möglich war. Als wären unsere Vorgesetzten vom Wahnsinn befallen. Wir sollten uns zurückziehen.«
    Wallander hörte mit wachsendem Interesse zu. »Solltet ihr das U-Boot ziehen lassen?«
    »Natürlich hat das niemand so gesagt. Auf jeden Fall nicht direkt. Wir erhielten den Befehl, uns auf ein anderes Seegebiet am äußeren Hårsfjärden zu konzentrieren, südlich vom Danziger Gatt. Dort hatte ein Hubschrauber ein anderes U-Boot ausgemacht. Warum war das wichtiger alsdas von uns gestellte U-Boot, das wir gerade zum Auftauchen zwingen wollten? Meine Mitarbeiter und ich begriffen nichts. Ich verlangte, mit dem Oberbefehlshaber direkt zu sprechen, aber er war unerreichbar. Was an sich schon sehr sonderbar war, weil er zuvor den Waffeneinsatz befürwortet hatte. Ich versuchte sogar, den Verteidigungsminister oder seinen Staatssekretär zu erreichen. Auf einmal schienen alle verschwunden zu sein, hatten die Hörer neben ihre Telefone gelegt oder waren zum Schweigen verdonnert worden. Von wem? Natürlich konnte die Regierung das tun, oder der Ministerpräsident. Während dieser Stunden bekam ich richtig Bauchschmerzen. Ich verstand die Befehle nicht, die ich bekam. Den Einsatz abzubrechen widersprach all meinen Erfahrungen und Instinkten. Es hätte nicht viel gefehlt, und ich hätte den Befehl verweigert. Dann wäre meine militärische Laufbahn beendet gewesen. Aber irgendwo hatte ich noch einen Rest von Vernunft behalten. Wir verlegten also unsere Hubschrauber und zwei Schiffe ins Danziger Gatt. Ich forderte, dass zumindest ein Hubschrauber über der Stelle blieb, an der das U-Boot sich befand. Aber wir bekamen ein Nein. Wir sollten den Ort verlassen, und zwar unverzüglich. Was wir auch taten, mit dem erwarteten Resultat.«
    »Nämlich?«
    »Wir bekamen natürlich keinen Kontakt mit einem U-Boot am Danziger Gatt. Wir suchten den Abend und die ganze Nacht. Ich frage mich heute noch, wie viele tausend Liter Treibstoff für die Hubschrauber draufgegangen sind.«
    »Was geschah mit dem U-Boot, das ihr

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