Wallander 09 - Der Feind im Schatten
wo unsere Minensperren lagen. Es war, als hörten sie sogar unsere Chefs diskutieren. Es gab Gerüchte über einen Spion, der noch besser platziert war als Wennerström. Du darfst nicht vergessen, dass es damals einen Mann in Norwegen gab, Arne Treholt, der sich in norwegischen Regierungskreisen bewegte. Und Willy Brandts Sekretär war ein ostdeutscher Spion. Die Mutmaßungen führten natürlich zu nichts. Es wurde niemand enttarnt. Aber das muss ja nicht bedeuten, dass es niemanden gab, der spionierte.«
Wallander dachte an die Buchstaben X,Y und Z. »Es muss bestimmte Personen gegeben haben, die du verdächtigst.«
»Es gab Offiziere in der Marine, die meinten, es spreche vieles dafür, dass Palme selbst Spion war. Ich habe das immer für Nonsens gehalten. Aber eigentlich war niemand sicher vor Verdächtigungen. Außerdem wurden wir in anderer Weise attackiert.«
»Attackiert?«
»Mittelkürzungen. Das Geld wurde in Roboterwaffen und in die Luftwaffe gesteckt. Die Mittel der Marine wurden immer stärker gekürzt. Viele Journalisten sprachen damals verächtlich von unseren ›Budget-U-Booten‹. Als wären sie nur erfunden, damit die Marine sich höhere und bessere Mittel sichern konnte.«
»Hast du jemals gezweifelt?«
»Woran?«
»An der Existenz der U-Boote?«
»Nie. Natürlich gab es da russische U-Boote.«
Wallander zog den schwarzen Ordner aus der Plastiktüte. Er war sicher, dass Sten Nordlander ihn nie zuvor gesehen hatte. Nordlanders fragende Miene wirkte nicht aufgesetzt. Er wischte sich die Hände ab und legte den geöffneten Ordner vorsichtig auf seinen Schoß. Das Wasser war bei dem leichten Wind nur schwach gekräuselt.
Er blätterte langsam die Papiere durch. Dann und wann blickte er auf, um zu sehen, wohin das Boot trieb. Dann wandte er sich wieder dem Ordner zu. Als er ihn durchgesehen hatte, reichte er ihn Wallander zurück und schüttelte den Kopf. »Das alles erstaunt mich«, sagte er. »Und vielleicht doch wieder nicht. Ich wusste ja, dass Håkan Nachforschungen in dieser Richtung betrieben hat. Aber dass er es so gründlich getan hat, wusste ich nicht. Wie soll man das hier nennen? Ein Tagebuch? Eine private Erinnerungsschrift?«
»Ich glaube, man kann es auf zweierlei Weise lesen«, sagte Wallander. »Teils als das, was da steht. Aber auch als eine unvollendete Untersuchung darüber, was eigentlich geschehen ist.«
»Unvollendet?«
Er hat recht, dachte Wallander. Warum sage ich das? Das Buch ist vermutlich das Gegenteil. Etwas Vollendetes und Geschlossenes.
»Wahrscheinlich hast du recht«, sagte Wallander. »Er war vermutlich fertig damit. Aber was glaubte er damit zu erreichen?«
»Es dauerte lange, bis ich merkte, wie viel Zeit er in seinem Archiv zubrachte, um Berichte, Untersuchungen und Bücher zu lesen. Und er sprach mit allen möglichen Personen. Manchmal rief mich jemand an und fragte mich, was er da eigentlich tue. Ich sagte nur, er wolle wohl wissen, was wirklich geschehen war.«
»Und er machte sich nicht beliebt? Das sagte er mir jedenfalls.«
»Ich glaube, am Ende wurde er als nicht zuverlässig betrachtet.Es war tragisch. Keiner in der Marine war rechtschaffener und gewissenhafter als er. Es muss ihn tief gekränkt haben, auch wenn er nie etwas darüber sagte.«
Sten Nordlander hob das Motorluk an und betrachtete den Motor. »Wie ein schön pochendes Herz«, sagte er und legte das Luk wieder auf. »Einmal arbeitete ich als Chief auf einem unserer zwei U-Boot-Jäger der Hallandklasse, der Småland. Es war eins der größten Erlebnisse in meinem Leben, mich in ihrem Maschinenraum zu befinden. Da standen zwei De-Laval-Dampfturbinen, die ungefähr sechzigtausend Pferdestärken entwickelten. Wir konnten das Schiff mit seinen dreitausendfünfhundert Tonnen auf eine Spitzengeschwindigkeit von fünfunddreißig Knoten bringen. Da ging die Post ab. Da war es eine Freude, zu leben.«
»Ich habe eine Frage«, sagte Wallander. »Und du musst wissen, dass sie äußerst wichtig ist: Findet sich in dem, was du gerade gesehen hast, etwas, was dort nicht sein sollte?«
»Etwas Geheimes?«, sagte Sten Nordlander und zog die Stirn in Falten. »Nicht, soweit ich sehen konnte.«
»Hat dich etwas erstaunt?«
»Ich habe nicht jedes Detail gelesen. Seine an den Rand geschriebenen Kommentare konnte ich fast nicht entziffern. Aber nichts hat mich stutzen lassen.«
»Könntest du mir erklären, warum er das Material versteckt hat?«
Sten Nordlander zögerte mit der Antwort. Er
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