Wallander 10 - Wallanders erster Fall
Den beiden toten Piloten, der eine aus Spanien, der andere noch nicht identifiziert. Er dachte an seine Zeichnung. Das Dreieck, in dessen Mitte er ein Fragezeichen gesetzt hatte. Aber jetzt lag er in der Dunkelheit und dachte, daß ein Dreieck auch verschiedene Eckpunkte hatte.
Bis sechs Uhr wälzte er sich im Bett. Dann stand er auf, ließ Badewasser einlaufen und kochte Kaffee. Die Morgenzeitung war schon gekommen. Er blätterte zu den Immobilienanzeigen, fand aber nichts Interessantes. Die Kaffeetasse nahm er mit ins Badezimmer. Dann lag er dösend bis halb sieben im heißen Wasser. Der Gedanke an das Wetter verursachte ihm Widerwillen. Der ständige Schneematsch. Aber jetzt hatte er immerhin ein Auto, das hoffentlich startete.
Um Viertel nach sieben drehte er den Zündschlüssel herum. Der Motor sprang sofort an. Er fuhr zum Polizeipräsidium und parkte so nah wie möglich am Eingang. Dann lief er durch den Schneematsch und wäre an der Treppe vor der Eingangstür fast ausgerutscht. Martinsson stand an der Anmeldung und blätterte in der Polizeizeitung. Als er Wallander sah, nickte er.
»Hier steht, daß wir in allen Belangen besser werden müssen«, sagte er düster. »Vor allem sollen wir unsere Beziehung zur Öffentlichkeit vertiefen.«
»Das ist doch nur gut«, antwortete Wallander.
Es gab ein Bild, das immer wieder in seiner Erinnerung auftauchte. Ein Vorfall, der sich vor zwanzig Jahren in Malmö zugetragen hatte. Damals war er in einem Café von einem jungen Mädchen beschimpft und beschuldigt worden, sie bei einer Vietnamdemonstration mit dem Gummiknüppel geschlagen zu haben. Aus irgendeinem Grund hatte er diesen Augenblick nie vergessen. Sie war später mitschuldig daran, daß er fast erstochen worden wäre, doch das war dabei weniger wichtig. Aber ihren Gesichtsausdruck, die totale Verachtung darin, hatte er nie vergessen.
Martinsson warf die Zeitung auf den Tisch. »Denkst du nie daran aufzuhören?« fragte er. »Etwas anderes zu tun?«
|376| »Jeden Tag«, antwortete Wallander. »Aber ich weiß nicht, was das sein könnte.«
»Vielleicht sollte man sich bei einem privaten Sicherheitsdienst bewerben«, sagte Martinsson.
Wallander war erstaunt. Er hatte immer gedacht, Martinssons sehnlichster Wunsch wäre, einmal Polizeichef zu werden.
Dann erzählte er von seinem Besuch in dem Haus, das Holm bewohnt hatte. Martinsson war enttäuscht, als er hörte, daß nur der Hund zu Hause gewesen war.
»Da wohnen mindestens noch zwei Personen«, sagte er. »Eine junge Frau um die Fünfundzwanzig. Ich habe sie nie gesehen. Aber ein Mann war da. Rolf hieß er. Rolf Nyman, glaube ich. An den Namen der Frau kann ich mich nicht erinnern.«
»Da war nur ein Hund«, wiederholte Wallander. »Der war so feige, daß er anfing zu kriechen, als ich ihn angebrüllt habe.«
Sie einigten sich darauf, am nächsten Morgen erst gegen neun Uhr zusammenzutreffen. Martinsson war sich nicht sicher, ob Svedberg kommen würde. Er hatte am Abend vorher angerufen und gesagt, er habe Fieber und sei stark erkältet.
Wallander ging in sein Zimmer. Wie immer waren es dreiundzwanzig Schritte vom Anfang des Korridors. Manchmal wünschte er sich, daß plötzlich etwas passierte, daß der Korridor länger oder kürzer geworden wäre. Aber alles war wie immer. Er hängte seine Jacke auf und bürstete ein paar Haare von der Stuhllehne. Er fühlte mit der Hand im Nacken und auf dem Scheitel nach. Mit jedem Jahr wurde er besorgter, daß er eines Tages seine Haare verlieren würde.
Dann hörte er schnelle Schritte auf dem Korridor. Es war Martinsson, der, mit einem Papier wedelnd, hereinkam. »Der zweite Pilot ist identifiziert«, sagte er. »Das hier ist gerade von Interpol gekommen.«
Wallander vergaß auf der Stelle sein Haarproblem.
»Ayrton McKenna«, las Martinsson. »Geboren 1945 in Süd-Rhodesien. Hubschrauberpilot seit 1964 beim damaligen süd-rhodesischen Militär. Während der sechziger Jahre mehrfach dekoriert. Wofür, kann man sich fragen. Dafür, daß er massenhaft Schwarze bombardiert hat?«
|377| Wallander hatte nur eine sehr vage Vorstellung davon, was sich in den ehemaligen britischen Kolonien in Afrika abgespielt hatte. »Wie heißt noch Süd-Rhodesien heute? Sambia?«
»Das war Nord-Rhodesien. Süd-Rhodesien heißt Zimbabwe.«
»Mein Wissen über Afrika läßt einiges zu wünschen übrig. Was steht da noch?«
Martinsson las weiter. »Irgendwann nach 198o zog Ayrton McKenna nach England. Zwischen 1983 und 1985
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