Wallander 10 - Wallanders erster Fall
Straßendekorationen. Jussi Björlings Stimme erfüllte seinen Wagen. Er freute sich wirklich auf die freien Tage, die vor ihm lagen.
Als er sich dem letzten Kreisverkehr vor der Abfahrt nach Ystad näherte, hätte er beinah vergessen, worum Hemberg ihn gebeten hatte. Er mußte heftig bremsen und die Fahrbahn wechseln. Dann bog er beim Möbelhaus, das schon geschlossen hatte, ab. Auch die Tankstelle war verlassen. Aber die Fenster des Lebensmittelgeschäfts direkt hinter der Werkstatthalle waren noch erleuchtet. Wallander hielt und stieg aus. Die Schlüssel ließ er stecken. Er warf die Tür so nachlässig zu, daß das Licht im Wagen nicht ausging. Er kehrte nicht um. Sein Besuch würde nur ein paar Minuten dauern.
|130| Es regnete immer noch sehr stark. Er blickte sich langsam um. Es war niemand zu sehen. Das Brausen der Autos drang schwach herüber. Er fragte sich, wie ein Tante-Emma-Laden in einem Gewerbegebiet überleben konnte, das fast ausschließlich aus Kaufhäusern und Handwerksbetrieben bestand. Ohne eine Antwort gefunden zu haben, eilte er durch den Regen und öffnete die Tür.
Als er den Laden betrat, wußte er sofort, daß etwas nicht in Ordnung war.
Etwas stimmte nicht. Ganz und gar nicht.
Was ihn so unmittelbar reagieren ließ, wußte er selbst nicht. Er blieb an der Tür stehen. Der Laden war leer. Kein Mensch. Und es war still.
Zu still, dachte er nervös. Zu still und zu ruhig. Wo war Elma Hagman?
Vorsichtig trat er an die Theke. Beugte sich hinüber und schaute auf den Fußboden dahinter. Leer. Die Kasse war zu. Das Schweigen um ihn her war ohrenbetäubend. Er dachte, daß er jetzt eigentlich den Laden verlassen sollte. Und nach Verstärkung rufen. Sie müßten mindestens zu zweit sein. Ein Polizist allein durfte nicht eingreifen.
Aber er verwarf den Gedanken, daß etwas nicht stimmte. Er konnte sich nicht unentwegt von seinen Gefühlen leiten lassen.
»Ist hier jemand?« rief er. »Frau Hagman?«
Keine Antwort.
Er ging um die Theke herum. Die Tür dahinter war geschlossen. Er klopfte. Immer noch keine Antwort. Er drückte langsam die Klinke herunter. Die Tür war unverschlossen. Vorsichtig schob er sie auf. Im Zimmer vor ihm lag eine Frau ausgestreckt auf dem Bauch. Daneben ein umgestürzter Stuhl. Um das zur Seite gewandte Gesicht der Frau war Blut auf dem Fußboden. Wallander zuckte zusammen, obwohl er im Innersten erwartet hatte, daß etwas geschehen war. Das Schweigen war zu massiv. Er drehte sich um. Im selben Moment erkannte er, daß jemand hinter ihm stand. Er vollführte die Drehung und duckte sich. Vage nahm er einen Schatten wahr, der mit großer Wucht auf ihn zukam. Dann wurde es dunkel.
|131| Als er die Augen wieder aufschlug, wußte er sofort, wo er sich befand. Er saß auf dem Fußboden hinter der Theke. Sein Kopf dröhnte, ihm war übel.
Etwas Dunkles war auf ihn zugekommen. Ein Schatten, der ihn hart am Kopf getroffen hatte. Das war seine letzte Erinnerung. Sie war sehr klar. Er versuchte aufzustehen, aber es gelang ihm nicht. Ein Tau war um seine Arme und Beine geschlungen und hielt ihn an etwas fest. An etwas hinter seinem Rücken, das er nicht sehen konnte.
Das Tau kam ihm bekannt vor. Dann wurde ihm klar, daß es sein eigenes Abschleppseil war, das immer im Kofferraum seines Wagens lag.
Plötzlich kamen die Erinnerungsbilder zurück. Er hatte eine tote Frau im Büro entdeckt. Höchstwahrscheinlich war es Elma Hagman. Dann hatte ihm jemand einen Schlag auf den Kopf versetzt und ihn anschließend mit seinem eigenen Abschleppseil gefesselt. Er blickte sich um und horchte. Jemand mußte in der Nähe sein. Jemand, vor dem er allen Grund hatte Angst zu haben. Die Übelkeit kam und ging in Wellen. Er versuchte, das Abschleppseil zu dehnen. Konnte er sich losmachen? Er horchte weiter angespannt. Es war immer noch sehr still. Aber es war eine andere Stille. Nicht die, die ihm begegnet war, als er den Laden betrat. Er ruckte an seinen Fesseln. Sie saßen nicht besonders fest, aber seine Arme und Beine waren so verdreht, daß er seine Kraft kaum nutzen konnte.
Er hatte Angst. Was hatte Hemberg gesagt? Elma Hagman habe angerufen und von einer sonderbaren Person gesprochen, die sich in der Nähe ihres Ladens aufhielt. Sie hatte also recht gehabt. Wallander zwang sich, ruhig zu denken. Mona wußte, daß er auf dem Weg nach Hause war. Wenn er nicht käme, würde sie sich Sorgen machen und in Malmö anrufen. Hemberg würde dann sofort daran denken, daß er Wallander zu Elma
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