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Wallander 10 - Wallanders erster Fall

Wallander 10 - Wallanders erster Fall

Titel: Wallander 10 - Wallanders erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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teilte, Stefansson und Hörner, hatten frei. Er selbst wollte in einer knappen Stunde Feierabend machen. Er stand auf und stellte sich ans Fenster. Es regnete. Auch in diesem Jahr würde es keine weiße Weihnacht geben. Er blickte abwesend hinaus, bis die Scheibe anfing zu beschlagen. Dann gähnte er. Sein Kiefer knackte. Vorsichtig schloß er den Mund. Manchmal, wenn er richtig herzhaft gähnte, kam es vor, daß er einen Krampf in einem Muskel unter dem Kinn bekam.
    Er ging zurück zum Schreibtisch und setzte sich. Es lagen ein paar Papiere darauf, um die er sich im Moment nicht zu kümmern brauchte. Er lehnte sich im Stuhl zurück und dachte mit Wohlbehagen an die dienstfreien Tage, die er vor sich hatte. Fast eine ganze Woche. Erst Silvester mußte er wieder zum Dienst. Er legte die Füße auf den Tisch, nahm eine Zigarette und zündete sie an. Sofort mußte er husten. Er hatte beschlossen aufzuhören. Es war kein Vorsatz zum neuen Jahr; er kannte sich selbst viel zu gut, um zu glauben, daß das gelingen könnte. Er brauchte eine lange Vorlaufzeit. Aber dann, eines Morgens, würde er erwachen und wissen, daß dies der letzte Tag war, an dem er eine Zigarette anzündete.
    Er schaute wieder zur Uhr. Eigentlich konnte er jetzt schon gehen. Es war ein ungewöhnlich ruhiger Dezember gewesen. Die Kriminalpolizei in Malmö hatte zur Zeit keine schweren Gewaltverbrechen aufzuklären. Für die Familienstreitigkeiten, die normalerweise während der Weihnachtstage auftraten, waren andere zuständig.
    Wallander nahm die Füße vom Tisch und rief Mona zu Hause an. Sie nahm fast sofort ab.
    |126| »Hier ist Kurt.«
    »Nun sag bloß nicht, daß du später kommst.«
    Seine Verärgerung kam wie aus dem Nichts. Er konnte sie nicht verbergen.
    »Ich rufe nur an, um zu sagen, daß ich jetzt schon nach Hause komme. Aber wahrscheinlich war das ein Fehler.«
    »Warum bist du gleich sauer?«
    »Ich sauer?«
    »Du hörst doch, was ich sage.«
    »Ich höre, was du sagst. Aber hörst du mich auch? Daß ich tatsächlich anrufe, um zu sagen, daß ich bald nach Hause komme?«
    »Fahr bloß vorsichtig.«
    Das Gespräch war zu Ende. Wallander blieb mit dem Telefonhörer in der Hand sitzen. Dann knallte er ihn hart auf die Gabel.
    Wir können nicht einmal mehr am Telefon miteinander reden, dachte er aufgebracht. Mona fängt aus dem geringsten Anlaß Streit an. Und sie würde vermutlich dasselbe über mich sagen.
    Er blieb noch sitzen und sah dem Rauch nach, der zur Decke aufstieg. Er merkte, daß er versuchte, den Gedanken an Mona und sich selbst auszuweichen. Und an ihre Streitereien, die immer alltäglicher wurden. Aber es gelang ihm nicht. Immer häufiger dachte er, daß er am liebsten allem aus dem Weg gehen würde. Daß es ihre fünfjährige Tochter Linda war, die ihre Ehe zusammenhielt. Aber er wehrte sich dagegen. Der Gedanke an ein Leben ohne Mona und Linda war ihm unerträglich.
    Er dachte auch, daß er noch nicht einmal dreißig Jahre alt war. Er wußte, daß er die Voraussetzungen hatte, ein guter Polizist zu werden. Wenn er wollte, könnte er bei der Polizei eine glänzende Karriere machen. Seit sechs Jahren arbeitete er in diesem Beruf, und seine rasche Beförderung zum Kriminalassistenten bestärkte ihn in dieser Vorstellung. Auch wenn er häufig das Gefühl hatte, nicht gut genug zu sein. Aber war es das eigentlich, was er wollte? Mona hatte oft versucht, ihn zu überreden, sich bei einer der Wachgesellschaften zu bewerben, die in Schweden immer üblicher wurden. Sie schnitt Annoncen aus und meinte, er würde bedeutend besser verdienen. Seine Arbeitszeiten würden regelmäßiger sein. Aber er wußte, daß sie im Innersten an ihn appellierte, den |127| Beruf zu wechseln, weil sie Angst hatte. Angst, daß ihm wieder etwas zustoßen könnte.
    Er trat erneut ans Fenster. Blickte durch die beschlagene Scheibe über Malmö.
    Es war sein letztes Jahr hier. Zum Sommer würde er in Ystad anfangen. Sie waren schon dorthin gezogen. Seit September wohnten sie in einer Wohnung im Zentrum. In der Mariagata. Wallander fühlte, daß er eine Veränderung brauchte. Daß sein Vater seit einigen Jahren in Österlen wohnte, war ein Grund mehr für sie, nach Ystad zu ziehen. Wichtiger war aber, daß es Mona gelungen war, einen günstigen Damenfrisiersalon zu erstehen. Außerdem wollte sie, daß Linda in einer kleineren Stadt als Malmö aufwachsen sollte.
    Sie hatten den Umzug in eine Kleinstadt eigentlich nie in Frage gestellt. Auch wenn es Wallanders

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