Wallander 10 - Wallanders erster Fall
relativ neu erbaut. Im Garten stand ein kleiner Springbrunnen. Als Wallander klingelte, begann im Inneren des Hauses ein Hund zu bellen. Er wartete.
Der Hund hörte auf zu bellen, und die Tür wurde geöffnet. Es war der alte Mann, den Wallander am Vortag unten am Strand getroffen hatte. Wallander hatte sogleich das Gefühl, daß der Mann nicht erstaunt war, ihn zu sehen. Er hatte ihn erwartet und war auf der Hut.
»Sie wieder«, sagte der Mann.
|173| »Ja«, gab Wallander zurück. »Ich gehe herum und klingele bei allen, die am Strand wohnen.«
»Ich sagte ja schon gestern, daß ich nichts gesehen habe.«
Wallander nickte.
»Manchmal fällt einem nachher etwas ein«, sagte er.
Der Mann trat zur Seite und ließ Wallander eintreten. Der Hund beschnüffelte ihn neugierig.
»Wohnen Sie das ganze Jahr hier?« fragte Wallander.
»Ja«, sagte der Mann. »Ich war zweiundzwanzig Jahre Amtsarzt in Nynäshamn. Als ich pensioniert wurde, sind wir hierher gezogen, meine Frau und ich.«
»Vielleicht hat sie etwas gesehen?« fragte Wallander. »Ist sie hier?«
»Sie ist krank«, sagte der Mann. »Sie hat nichts gesehen.«
Wallander zog einen Notizblock aus der Tasche.
»Darf ich fragen, wie Sie heißen?« sagte er.
»Ich heiße Martin Stenholm«, sagte der Mann. »Meine Frau heißt Kajsa.«
Nachdem er die beiden Namen notiert hatte, steckte Wallander den Block wieder ein.
»Dann will ich nicht weiter stören«, sagte er.
»Aber ich bitte Sie«, sagte Martin Stenholm.
»Vielleicht kann ich in ein paar Tagen wiederkommen und mit Ihrer Frau sprechen«, sagte Wallander. »Manchmal ist es besser, wenn die Leute selbst erzählen, was sie gesehen oder nicht gesehen haben.«
»Ich glaube, das ist keine gute Idee«, sagte Stenholm. »Meine Frau ist schwer krank. Sie hat Krebs und wird bald sterben.«
»Ich verstehe«, sagte Wallander. »Dann werde ich nicht zurückkommen und stören.«
Martin Stenholm öffnete ihm die Tür.
»Ist Ihre Frau auch Ärztin?« fragte Wallander.
»Nein«, antwortete der Mann. »Sie ist Juristin.«
Wallander ging zurück auf die Straße. Dann besuchte er noch drei Häuser, ohne etwas zu erfahren, bevor er auf Rydberg stieß.
Beide machten sogleich kehrt. Wallander holte sein Auto und wartete vor Agnes Ehns Haus auf Rydberg. Als dieser kam, hatte |174| er nur Negatives zu berichten. Niemand hatte Göran Alexandersson am Strand gesehen.
»Und ich habe immer gehört, die Menschen seien so neugierig«, sagte Rydberg. »Besonders auf dem Land, und besonders bei Fremden.«
Sie fuhren nach Ystad zurück. Wallander saß schweigend am Steuer. Als sie im Polizeipräsidium ankamen, bat er Rydberg, Hansson zu suchen und mit in sein Zimmer zu bringen. Er rief bei der Gerichtsmedizin an und erreichte Jörne endlich. Als er das Gespräch mit diesem beendete, waren Rydberg und Hansson schon gekommen. Wallander schaute Hansson fragend an.
»Etwas Neues?«
»Nichts, was unser bisheriges Bild von Alexandersson veränderte«, antwortete Hansson.
»Ich habe gerade mit Jörne telefoniert«, sagte Wallander. »Das Gift, das ihn getötet hat, kann er sehr wohl zu sich genommen haben, ohne es zu bemerken. Man kann nicht genau sagen, wie es wirkt. Jörne vermutete, daß es mindestens eine halbe Stunde dauern könnte. Wenn der Tod dann kommt, tritt er sehr schnell ein.« »Soweit haben wir also recht«, sagte Hansson. »Hat dieses Gift einen Namen?«
Wallander las die komplizierte chemische Bezeichnung vor, die er auf seinem Block notiert hatte.
Dann berichtete er von seinem Gespräch mit Martin Stenholm in Svarte.
»Ich weiß nicht, was es ist«, sagte er. »Aber ich werde das Gefühl nicht los, daß wir die Lösung im Haus dieses Arztes finden werden.«
»Ein Arzt kennt sich mit Gift aus«, sagte Rydberg. »Das ist schon mal ein Anfang.«
»Da hast du natürlich recht«, erwiderte Wallander. »Aber es ist noch etwas anderes. Ich komme nur nicht darauf, was es ist.«
»Soll ich die Register durchgehen?« fragte Hansson. »Schade, daß Martinsson krank ist. Er kann das am besten.«
Wallander nickte. Dann kam ihm plötzlich ein Gedanke.
»Suche auch nach seiner Frau, Kajsa Stenholm.«
|175| Während des Walpurgisfestes und Wochenendes ruhte die Ermittlung. Wallander verbrachte einen großen Teil der freien Zeit draußen bei seinem Vater. Einen Nachmittag benutzte er, um seine Küche neu zu streichen. Er rief auch Rydberg an und sprach mit ihm. Er hatte keinen anderen Anlaß gehabt, als daß Rydberg
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