Wallander 10 - Wallanders erster Fall
passiert ist. Er beschloß, nur Rydberg mitzunehmen. Über das Haustelefon rief er ihn und Hansson zu sich. Er erzählte ihnen, was Åkeson gesagt hatte.
»Donnerwetter!« sagte Hansson.
»Ich dachte, du und ich fahren hin«, sagte Wallander zu Rydberg. »Drei ist einer zuviel.«
Hansson nickte. Er verstand.
Sie fuhren schweigend in Wallanders Wagen nach Svarte. Wallander parkte hundert Meter hinter Stenholms Haus.
»Was erwartest du von mir?« fragte Rydberg, als sie durch den Regen gingen.
»Daß du dabei bist. Sonst nichts.«
Plötzlich wurde es Wallander bewußt, daß Rydberg zum erstenmal ihm assistierte und nicht umgekehrt. Rydberg hatte sich nie |180| formell als sein Vorgesetzter verhalten, es paßte nicht zu seinem Temperament, Chef zu sein, sondern sie hatten immer Seite an Seite gearbeitet. Aber seit Wallander in Ystad war, hatte er Rydberg als seinen Lehrer betrachtet. Das berufliche Können, über das Wallander heute verfügte, verdankte er hauptsächlich Rydberg.
Sie traten durch die Gartenpforte und gingen zum Haus.
Wallander klingelte. Als habe er sie erwartet, öffnete der alte Arzt ihnen fast auf der Stelle die Tür. Wallander schoß der Gedanke durch den Kopf, wie merkwürdig es war, daß der Labrador sich nicht zeigte.
»Ich hoffe, ich störe nicht«, sagte Wallander. »Aber ich habe noch einige Fragen, die leider nicht warten können.«
»Was für Fragen?«
Wallander merkte, daß jede Freundlichkeit bei dem Mann jetzt verschwunden war. Er wirkte verängstigt und zugleich gereizt.
»Nach dem Mann, der am Strand spazierenging«, sagte Wallander.
»Ich habe Ihnen doch schon gesagt, daß ich ihn nicht gesehen habe.«
»Wir würden auch gern mit Ihrer Frau sprechen.«
»Ich habe Ihnen schon gesagt, daß sie todkrank ist. Was hätte sie denn sehen sollen? Sie liegt im Bett. Ich begreife nicht, warum Sie uns nicht in Frieden lassen können!«
Wallander nickte.
»Dann werden wir nicht mehr stören«, sagte er. »Jedenfalls im Moment nicht. Aber ich bin ziemlich sicher, daß wir wiederkommen werden. Und dann werden Sie uns hereinlassen müssen.«
Er nahm Rydberg am Arm und ging mit ihm zur Gartenpforte. Hinter ihnen wurde die Tür zugeschlagen.
»Warum hast du so schnell nachgegeben?« fragte Rydberg.
»Das hast du mir doch beigebracht«, antwortete Wallander. »Daß es nicht schadet, die Leute zum Nachdenken zu bringen. Außerdem brauche ich von Åkeson einen Durchsuchungsbefehl.«
»Hat wirklich er Alexandersson getötet?« sagte Rydberg.
»Ja«, sagte Wallander. »Ich bin mir sicher. Er war es. Aber wie das Ganze zusammenhängt, weiß ich noch immer nicht.«
Am gleichen Nachmittag bekam Wallander seinen Durchsuchungsbefehl. |181| Er beschloß, bis zum nächsten Morgen damit zu warten. Um sich abzusichern, ließ er sich von Björk die Zustimmung dazu geben, das Haus solange zu bewachen.
Als Wallander in der Morgendämmerung des folgenden Tages, es war der 7. Mai, aufwachte und das Rollo hochschnappen ließ, war die Stadt in Nebel getaucht. Bevor er duschte, tat er etwas, was er am Abend zuvor vergessen hatte. Er schlug den Namen Stenholm im Telefonbuch nach. Es gab darin weder eine Kajsa noch einen Martin Stenholm. Als er die Auskunft anrief, wurde ihm mitgeteilt, die Nummer sei geheim. Er nickte stumm, als habe er genau das erwartet.
Während er Kaffee trank, überlegte er, ob er Rydberg mitnehmen oder allein nach Svarte fahren sollte. Erst als er sich ins Auto setzte, entschied er sich dafür, allein zu fahren. Über der Küste lag dichter Nebel.
Wallander fuhr sehr langsam. Kurz vor acht Uhr hielt er unmittelbar vor Stenholms Haus. Er ging durch die Gartenpforte und klingelte. Erst beim dritten Klingeln wurde aufgemacht. Als Martin Stenholm sah, daß es Wallander war, versuchte er, die Tür zuzuschlagen. Wallander konnte jedoch einen Fuß dazwischenschieben und drückte die Tür auf.
»Was gibt Ihnen das Recht, hier einzudringen?« rief der alte Mann mit gellender Stimme.
»Ich dringe nicht ein«, sagte Wallander. »Ich habe einen Hausdurchsuchungsbefehl. Es ist das beste, Sie akzeptieren es sofort. Können wir uns irgendwo setzen?«
Stenholm schien plötzlich zu resignieren. Wallander folgte ihm in ein Zimmer, dessen Wände voller Bücher waren. Wallander setzte sich in einen Ledersessel, der alte Mann ihm gegenüber.
»Haben Sie mir wirklich nichts zu sagen?« fragte Wallander.
»Ich habe keinen Mann hier am Strand spazierengehen sehen. Und meine Frau, die
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