Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer
erinnerte, das man ihnen angetan hatte. Darauf folgte, wie ich mich entsinne, eine kurze Schilderung der Leiden unserer Männer in Sizilien; und für jemanden, der nicht dort gewesen war, machte Demeas seine Sache recht gut. Zuerst berichtete er vom Fieber im Lager bei den Sümpfen, dann von den Schrecken der Nacht auf dem Epipolai und dem entsetzlichen Durcheinander und den Schreien der Sterbenden. Daraufhin beschrieb er die Verzweiflung der Hafenschlacht und das drückende Elend des Marsches zum Garten hinter der Mauer. »Und von diesen Tausenden«, höre ich ihn noch sagen, »sind nur wenige in die Stadt der violetten Krone zurückgekehrt. Welche Ironie, Männer von Athen, welch grausame Ironie, daß ausgerechnet einer dieser offenbar von Zeus Auserwählten der alleinige Urheber dieses ganzen Unglücks sein soll! Doch ich sage euch, das war Zeus’ Werk: Diesem Mann wollte er nicht die Gelegenheit geben, den Heldentod zu sterben, sondern er beschützte ihn, damit er sich heute vor diesem Gericht zu verantworten hat. Das bezeugt auch die Leichtigkeit seiner Flucht – oder war es etwa kein Gott, meine Freunde, der ihn wie ein Opfertier zum Altar der Gerechtigkeit führte?«
Ich dachte an den Schmied und den Karren mit dem Olivenfaß und kicherte. Bedauerlicherweise sah Demeas das und deutete auf mich. »Unser Freund findet das offensichtlich belustigend!« donnerte er los. »Genau wie er es belustigend gefunden hat, die Statuen der Götter zu zerschmettern. Ruft der Gedanke an unsere göttlichen Schutzherren bei ihm immer diese offen zur Schau gestellte Leichtfertigkeit hervor, frage ich mich? Kichert er während der ganzen Prozession für unsere Göttin Athena hindurch oder niest er absichtlich im Augenblick der Opferung?«
Ich hätte gern gewußt, wie man mit Absicht niesen kann, aber diese Frage mußte bis nach dem Prozeß warten. Jedenfalls rundete Demeas seine einleitenden Bemerkungen mit einer plastischen Darstellung der Nacht ab, in der die Statuen verstümmelt wurden, und ging dann dazu über, die Zeugen aufzurufen. Immer wieder rechnete ich mit dem Aufruf von Aristophanes, doch jedesmal, wenn ich den Sohn des Philippos Anstalten machen sah, sich von seinem Platz zu erheben, rief Demeas irgendeinen Sklaven oder Gefolgsmann auf, und dann lehnte sich Aristophanes zurück und verschränkte die Arme. Zuletzt, als ich allmählich schon glaubte, Aristophanes werde gar nicht mehr benötigt, rief Demeas ihn doch noch auf und ließ ihn auf das erhöhte Tribunal treten. Von den Geschworenen drang ein schwaches zufriedenes Gemurmel herüber, und die meisten von ihnen stellten das Essen ein oder hörten damit auf, sich die Fußnägel zu schneiden. Auch der kleine alte Mann wurde von jemandem aufgeweckt und beugte sich, auf den Stock gestützt, ein wenig vor, um den Wortwechsel besser verfolgen zu können. Nachdem sich Aristophanes gesetzt hatte, räusperte sich Demeas und fing an. Er stellte die Fragen in einem ganz gewöhnlichen Tonfall, und Aristophanes antwortete laut und deutlich mit erhobenem Kopf.
Demeas: Bist du in der fraglichen Nacht vor Eupolis’ Haus gewesen?
Aristophanes: Ja, das bin ich.
Demeas: Und bist du gerade auf dem Heimweg von einer Feier zu Ehren einiger Freunde gewesen, die in den Krieg ziehen wollten?
Aristophanes: Ja, das bin ich.
Demeas: Hast du Eupolis mit einem thrakischen Säbel Statuen zertrümmern sehen?
Aristophanes: Ja, das habe ich.
Demeas: War er allein, oder waren noch welche bei ihm?
Aristophanes: Er war mit etwa zehn anderen zusammen, die ich nicht erkannt habe.
Demeas: Hat Eupolis selbst Statuen zerschlagen oder lediglich den anderen dabei zugesehen?
Aristophanes: Er hat selbst Statuen zerschlagen.
Demeas: Hast du das damals gemeldet?
Aristophanes: Nein.
Demeas: Hattest du Angst davor, was Eupolis womöglich mit dir angestellt hätte, wenn du Meldung erstattet hättest?
Aristophanes: Ja, das hatte ich.
Demeas: Und warst du anschließend mit Demosthenes und dem Heer in Sizilien?
Aristophanes: Ja, das war ich.
Demeas: Bist du nach der Niederlage zusammen mit Eupolis durch Sizilien nach Catina geflohen, und hast du Eupolis im Verlauf der Flucht wiederholt das Leben gerettet?
Aristophanes: Ja.
Demeas: Und hat dir Eupolis auf der Flucht nicht freimütig gestanden, an der Schändung der Statuen beteiligt gewesen zu sein?
Aristophanes: Zweimal.
Demeas: Warum sagst du jetzt gegen einen Mann aus, dessen Leben du gerettet hast?
Aristophanes: Weil ich dies als
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