Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer

Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer

Titel: Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
Vom Netzwerk:
es brauchen.«
    »Gleichfalls«, entgegnete ich. »Wir sehen uns.«
    »Das bezweifle ich«, antwortete Sokrates über die Schulter hinweg und spazierte fröhlich die Straße hinunter.
    »Was für ein unangenehmer Mensch«, meldete sich Phaidra gähnend zu Wort. »Mit dem nimmt es demnächst ein böses Ende.«
    »Das will ich hoffen. Aber wenigstens hat er mich davon abgehalten einzuschlafen, und das ist mehr, als du zustande gebracht hast.«
    »Ich verstehe nicht, worüber du dich beklagst«, mischte sich Leagoras ein, der mein Gespräch mit Sokrates mit gespannter Aufmerksamkeit verfolgt hatte. »In meinen Ohren hat das alles ganz plausibel geklungen.«
    Phaidra und ich blickten ihn beide verdutzt an, wodurch er sich ziemlich beleidigt zu fühlen schien.
    »Ärgere dich nicht darüber, es ist nicht deine Schuld«, versicherte ich ihm.
    »Ganz bestimmt nicht«, pflichtete mir Phaidra bei. »Ist das dort drüben nicht Aristophanes?«
    Wir blickten uns alle um und sahen den Sohn des Philippos, der einen ungewöhnlich düsteren Umhang trug und einen einfachen Spazierstock aus Olivenholz in der Hand hielt. Er eilte Demeas und dessen Gefolge von Zeugen, Sklaven und anderen dazugehörigen Erinnyen hinterher. Ein Freund meines Onkels erzählte mir einmal von den gewaltigen Schnitzereien, die sein Großvater während einer Reise durch Persien in Sardes gesehen hatte; auf riesigen Reliefs, die sich ausdehnten, so weit das Auge reichte, wurde der Großkönig von Persien dargestellt, wie er mitsamt seinen Falken und Hunden unter einem gigantischen Baldachin an der Spitze seiner Streitmacht gegen alle Völker der Erde in den Krieg zog. Vermutlich wirkte der Großkönig von Persien – zumindest auf den Schnitzereien – für seine Untertanen genauso bedrohlich wie Demeas damals auf mich. Nur erzielte Demeas diese Wirkung nicht durch Falken, Hunde und Baldachine, sondern allein durch sein Auftreten.
    Im Vorübergehen schien er geradewegs durch mich hindurchzusehen, als wäre ich bereits eine dürstende Seele, die ohne Hoffnung am falschen Flußufer umherflattert. Aristophanes sah mir jedoch versehentlich in die Augen und warf mir einen derart von unterdrücktem Haß erfüllten Blick zu, daß ich fast erschrak. Ich fragte mich, was ihn so aufregte; dann erst fiel mir ein, daß er vermutlich mir die Schuld gab, ihn in eine Lage gebracht zu haben, in aller Öffentlichkeit aus der Rolle fallen zu müssen, indem er in einem politischen Prozeß gegen einen Komödiendichter aussagte. Ich verstand seine Einstellung: Selbst in Athen haftete demjenigen, der in eine solche Affäre verstrickt war, ein gewisser Makel an, und in der Stadt gab es noch ein paar aufrechte Menschen, die dergleichen mißbilligten. Daß ich jedoch dafür verantwortlich sein sollte, traf mich trotzdem schwer; schließlich war es Demeas’ Schuld. Vielleicht bin ich zu empfindlich. Jedenfalls sah ich weg, bis sich die Gruppe in einen anderen Teil der Vorhalle zurückgezogen hatte.
    »Aufgeregt?« flüsterte mir Phaidra ins Ohr.
    »Nein«, antwortete ich wahrheitsgemäß. »Zumindest nicht so, wie du es dir vorstellst. Ich fühle mich, als würde ich gleich einen Chor auf die Bühne schicken.«
    »Ach, du!« winkte sie ab. »Du bist einfach nur eingebildet, das ist dein Problem.«
    Auf diese Idee war ich noch gar nicht gekommen. »Vielleicht hast du sogar recht«, räumte ich ein. »Aber möglicherweise kann ich solche Dinge nur einfach nicht ernst nehmen. Ach, schau doch mal, Sokrates ist wieder da. Wahrscheinlich will er der Verhandlung beiwohnen.«
    »Du solltest ihm dafür eine Drachme berechnen«, schlug Phaidra vor. »Er an deiner Stelle täte das bestimmt.«
    »Dort, wo ich hingehe, benötige ich nur zwei Münzen, und zwar auf den Augen.«
    »So ist’s recht: immer positiv denken! Wie fühlst du dich? Ist dir übel? Hast du Schwindelgefühle oder rasende Kopfschmerzen?«
    »Das kommt alles erst später, wenn ich mit meiner Rede an der Reihe bin«, antwortete ich.
    Leagoras beugte sich herüber und sagte: »Viel Glück, Eupolis. Falls du es allerdings nicht schaffen solltest, kann ich dann deinen Pflug mit den Bronzegriffen haben?«
    »Klar, wenn es dir gelingt, den Gerichtsvollziehern zuvorzukommen«, willigte ich ein. »Sag ihnen, ich hätte ihn bei dir ausgeborgt und zurückzugeben vergessen. Aber das werden sie dir nicht glauben. So was zu vergessen, ist nämlich nicht deine Art.«
    Leagoras war offenbar wieder beleidigt und lehnte sich auf der Bank zurück.

Weitere Kostenlose Bücher