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Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer

Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer

Titel: Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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wurden. Der Mann, der die Demokratie in Athen vernichtet, wird ein Ungeheuer töten, das sich folgendermaßen zusammensetzt:
    Zunächst hat es einhundert Ohren, allesamt auf der linken Seite des Kopfs. Dadurch ist es imstande, Dinge zu belauschen, die es nicht hören soll, und gerade diese Dinge glaubt es. Was ihm die Menschen sagen, kann es nicht hören, aber das würde es sowieso nicht tun, selbst wenn es dazu in der Lage wäre. Das Ungeheuer verfügt über zehntausend Mäuler, die alle gleichzeitig reden und von denen jedes einzelne dreimal am Tag gefüttert werden muß. Sie spucken oft große Töne, beispielsweise dann, wenn sie sich für das kostenlose Verteilen von Getreide aussprechen, was sich die Stadt zwar nicht leisten kann, was aber Wählerstimmen bringt. In diesen Mäulern sitzen viele lange, spitze Zähne wie die einer Natter; für das Beißen und Töten von Menschen sind sie wie geschaffen, aber zum Zerkleinern von Nahrung und dem verbissenen Durchkauen von Tatsachen kann man sie nicht gebrauchen. Der Kopf besitzt keine Augen, dafür jedoch einen äußerst feinen Geruchssinn. Demzufolge sieht das Ungeheuer nicht, wohin es geht oder geführt wird, ist nicht in der Lage, seine Freunde zu erkennen und seinen Feinden aus dem Weg zu gehen, aber eine Verschwörung riecht es noch tausend Meilen gegen den Wind.
    Dieser ungewöhnliche Kopf thront auf einem gewaltigen Hals, der ständig in einem bestimmten Winkel nach hinten gebogen ist. Das ermöglicht dem Ungeheuer zu sehen, was die Menschen treiben, und diesem Treiben ein Ende zu bereiten, bedeutet aber auch, daß das Ungeheuer nicht sieht, was es selbst tut. Der Hals endet in breiten Schultern, auf die eine Menge skrupellose Individuen einige sehr schwere Körbe voller Eigeninteressen geladen haben. Diese Körbe sind bis zum Rand mit Kriegsschiffen, Pfeilen und Rüstungen gefüllt, und ihr Gewicht verbiegt langsam aber sicher das Rückgrat des Ungeheuers, so daß es nicht mehr richtig atmen kann, und wird ihm schließlich den Hals brechen.
    Unter den Schultern befindet sich der gewaltige Bauch des Ungeheuers, in den sämtliche Bodenerzeugnisse der Welt wandern; da er jedoch über keine Verdauungsorgane verfügt, werden alle die guten Sachen, die durch die zehntausend Mäuler hereinkommen, direkt durch den riesengroßen Hintern wieder ausgeschieden und bringen niemandem irgendeinen Nutzen. Aus diesem Grund leidet das Ungeheuer an einer ständigen Magenverstimmung, die ihm die Laune verdirbt. Hinter dem Bauch befindet sich der riesigste Hintern, den man je gesehen hat, und der läuft in einen zottigen langen Schwanz aus. Das Ungeheuer verbringt eine Menge Zeit damit, auf diesem Schwanz zu stehen; das heißt, wieviel Kraft es auch für den Versuch vorwärtszugehen aufbietet, es kommt normalerweise keinen Millimeter von der Stelle.
    Das immense Gewicht des Ungeheuers wird von zwei spindeldürren Beinen, genannt die Langen Mauern, getragen, an deren Ende rasiermesserscharfe Krallen sitzen. Diese Krallen werden als Volksversammlung und Gerichtshöfe bezeichnet und vom Ungeheuer zum Ergreifen der Beute eingesetzt. Aufgrund der Schwierigkeiten, die das Ungeheuer mit der Fortbewegung hat, kann es jedoch nie schnell genug laufen, um irgend etwas zu fangen, und muß deshalb mit nur zwei Nahrungsquellen vorliebnehmen. Bei der einen handelt es sich um einen großen ranzigen Eintopf, der noch aus der Zeit stammt, als ein Mann namens Kimon eine Horde Perser quer durch Kleinasien verfolgte, sie entkommen ließ und sich statt dessen daranmachte, Griechen einzufangen. Alle gefangengenommenen Griechen warf er in den Eintopf, und von ihnen hat sich das Ungeheuer seither ernährt. Doch der Eintopf allein genügt nicht, um das Ungeheuer am Leben zu erhalten, darum schneidet es sich als Ergänzung seiner Ernährung Stücke aus dem eigenen Fleisch heraus und verzehrt sie. Für diesen Zweck benutzt es manchmal die Kralle namens Volksversammlung und manchmal die mit der Bezeichnung Gerichtshöfe. Die Wunden, die es sich auf diese Weise reißt, verheilen gewöhnlich nicht mehr.
    Das Ungeheuer bildet den Mittelpunkt einer langen und komplizierten Nahrungskette, deren Fortbestand von ihm abhängt. Zum Beispiel ist das Ungeheuer über und über von Parasiten befallen: von Spitzeln, Politikern, Söldnern, ausländischen Regierungen und einer ganzen Menge Flöhe. Zudem gibt es viele Aasfresser, die dem Ungeheuer auf Schritt und Tritt folgen, um die unverdauten Leckerbissen aus seinen

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