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Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer

Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer

Titel: Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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offenbar irgend etwas überhaupt nicht mehr zu stimmen, und ich wollte nicht wissen, was. Ich wich zurück und eilte mit einem Gefühl davon, als hätte ich gerade einen Geist gesehen. Kurz darauf liefen mir zufällig Kallikrates und der kleine Zeus über den Weg, und wir vertrieben uns die restliche Zeit bis zur ersten Nachtwache, die der Zeitpunkt unseres Aufbruchs sein sollte, mit der Suche nach Aristophanes’ Weinschlauch. Wie es der Zufall wollte, entdeckten wir ihn zu guter Letzt, versteckt unter einem Dornbusch, aber zu der Zeit war es schon zu spät, um noch etwas damit anzufangen. Deshalb schütteten wir ihn aus, füllten ihn mit Wasser und legten ihn genau dorthin zurück, wo wir ihn gefunden hatten.

3. KAPITEL
     
    Seltsamerweise habe ich inzwischen nur noch selten Alpträume vom Epipolai. Kurz nach meiner Rückkehr hatte ich sie ständig, aber nach etwa einem Jahr verschwanden sie und wurden durch einen buntgemischten Alptraum ersetzt, der sich um eine große Vielfalt von Problemen drehte. Solange die Träume jedoch auftraten, waren sie außerordentlich intensiv und gehörten zu den wenigen, an die ich mich nach dem Aufwachen jeweils erinnern konnte. Das ist für den Bericht, den ich gleich von jenem Abenteuer geben werde, von größter Wichtigkeit; denn nach all den Jahren kann ich nicht mit Sicherheit zwischen meinen wirklichen Erinnerungen an die geographische Beschaffenheit des Schauplatzes der Schlacht und der leicht veränderten und ausgeschmückten Darstellung im Alptraum unterscheiden. Sollte also jemand von Ihnen den Ort gut kennen und einwenden, ich hätte eine Schafhürde eingefügt, wo sich noch nie eine Schafhürde befunden habe, oder eine ansonsten kahle Böschung mit überflüssigen und völlig aus der Luft gegriffenen Olivenbäumen bepflanzt, muß ich Sie bitten, Ihr Wissen für sich zu behalten. Mein Epipolai steht zum echten Epipolai im gleichen Verhältnis wie, sagen wir mal, Homers Achilles zum echten Achilles, wer immer das auch war. Doch wird diese Einbuße an Genauigkeit mehr als genug durch die ausgezeichnete Behandlung des Themas durch den Verfasser ausgeglichen, und sämtliche Änderungen sind aufgrund berechtigter literarischer Absichten zwingend notwendig.
    Kurz nach der ersten Nachtwache erhielten wir den Befehl zum Abmarsch und schleppten uns die steilen Hänge des Epipolai zur Festung Euryalos hinauf, wobei wir so wenig Lärm wie möglich zu machen versuchten. Ein so großes Heer, das mit in heller Aufregung befindlichen Soldaten so wenig Lärm wie möglich zu machen versucht, gibt Geräusche von sich, die an einem stillen Abend fast ohrenbetäubend sein können – besonders dann, wenn alle schreckliche Angst haben. Die Aussichten, solch eine enorme Menschenansammlung unbemerkt am Feind vorbeizuschleusen, schienen, gelinde gesagt, schlecht zu stehen. Aber irgendwie mußten wir es geschafft haben, denn ich entdeckte keinerlei Hinweise auf eine syrakusische Streitmacht. Allerdings hatte ich trotz des relativ hellen Mondlichts schon genug Schwierigkeiten, die eigenen Füße zu erkennen, und bin von daher kaum dazu berechtigt, mich in diesem Punkt für unfehlbar zu halten. Jedesmal, wenn ich einen lockeren Stein löste oder auf etwas anderes trat, das ein Geräusch machte, rechnete ich fest damit, um mich herum den Aufschrei feindlicher Stimmen zu hören, was aber nicht der Fall war. Ob ich trotz des Lärms mehrerer tausend Athener, die sich allesamt um Lautlosigkeit bemühten, einen feindlichen Angriff überhaupt gehört hätte, ist eine ganz andere Frage.
    Dabei nahmen wir die syrakusische Festung, die unser Hauptangriffsziel war, nicht etwa im Sturm, sondern stolperten vielmehr über sie. Genaugenommen liefen wir auf der Suche danach zweimal daran vorbei und mußten wieder umkehren, und der Mann neben mir, der aus dem Norden Attikas stammte, wo er sich gelegentlich als Zimmermann verdingte, murmelte leise vor sich hin, man solle jemanden nach Syrakus hinunterschicken, damit er sich nach dem Weg erkundige, als die Festung plötzlich vor uns lag: ein ungefähr kreisförmiger Haufen übereinandergestapelter Steine, der sich wie eine übergroße Schafhürde gegen den dunkelblauen Himmel abzeichnete.
    Offen gesagt, hatte ich etwas anderes erwartet, etwas Größeres und Erhabeneres, zumal der Taxiarchos von einer ›fast uneinnehmbaren Festung‹ gesprochen hatte. Deshalb hatte ich mir eine Miniaturausgabe von Persepolis vorgestellt, eine Festung mit burgartigen Mauern und

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