Wallenstein (German Edition)
Abmarsch. Sie schwirrten, noch halbnackt, ein buntes halb verbrecherisches Gesindel, gegen die Grenze auf Bayreuth Bamberg zu.
Einen Brief hatte Wallenstein erhalten vom Bundesobersten der Liga, Maximilian aus Bayern, worin der ihn bat um Abordnung des Marradasschen und halben Lauenburgschen Regiments an Tilly, seinen Generalleutnant. Als der Herzog zugesagt hatte, stellte der Bayer dem niedersächsischen Kreis ein Ultimatum, die Rüstungen einzustellen und sich vom Dänenkönig loszusagen. Den Kaiser und seinen Hofkriegsrat fragte Maximilian nicht; nach einer knappen Woche, Wallenstein überschritt eben die böhmische Grenze, erteilte die Durchlaucht in München ihren Feldkommandierenden den Befehl, im Namen Gottes und seiner heiligen Mutter in Niedersachsen einzumarschieren. Worauf der Tilly über die Weser setzte bei Höxter, wie ein Wetter das Braunschweiger Land überraschend, über zwölf Meilen Wegs alles verwüstend. Von Ferdinand war eben ein Handbrieflein an die stolze Münchener Durchlaucht gekommen, er hielte mit seinen Beratern einen Beschluß über Niedersachsen zur Zeit nicht für ratsam, ja gefährlich. Das Prävenire war gespielt, der Wiener Hof erklärte mit verhaltenem Atem, es bei dem Geschehenen bewenden zu lassen. In Maximilian brach aber einen Augenblick die Spannung aus, als die Wallensteinschen Scharen in ungeheuren regellosen Zügen nach Überschreiten der Reichsgrenze an der Oberpfalz vorüberstreiften, massenhaft Leichen von räubernden Söldnern an den Bäumen zurücklassend. In heftigen, kaum mehr diplomatischen Wendungen verwahrte er sich gegen das Treiben dieser Horden, die man besser gegen Ungarn auf Bethlen Gabor gewandt hätte; er werde Truppen bei Weiden aufstellen, die Polizei spielen sollten. Unverhüllt darauf Habsburg, er solle nicht schelten; er solle sich seiner sonderbaren Unterhandlungen mit Frankreich erinnern. Das täte er, knirschte Wittelsbach; der Kaiser möge es nicht dahin kommen lassen, daß er die französischen Anerbietungen annähme.
Auf dem Marsche nach der Weser verstärkte sich Wallenstein weiter; die niederländischen Regimenter stießen zu ihm. Er setzte sich in Schweinfurt, in Vacha an der Werra. Ihn erwartete, mit lauten Rufen begehrte nach ihm der flinke alte Brabanter, der Freiherr von Marbiß und Tilly, Johann Tserclaes. Der, Schüler des Alexander Farnese, Belagerer von Antwerpen, bei der spanischen Hilfe gegen die aufsässigen Geusen gestanden, mußte mit Jubel, zum Grimm seines bayrischen Herrn, aus schwerer Bedrängnis auf die toll anrasselnde böhmisch-kaiserliche Kavalkade fliegen. Im deckensenkenden Quartier des Bürgermeisters von Hemmendorf, bei Lauenstein gelegen, stiefelte Tilly, gebrechlich, in spanischer Kapitänstracht, am kleinen Hütlein hohe schwankende rote Straußenfedern, an den langen hageren Böhmen heran, der heftig lachte und sich mit ihm freute, daß es noch nicht zu spät sei, dem Feinde die Zähne zu zeigen.
Der Brabanter, steif, gespenstig, mit einer weißen Schärpe, zwei Pistolen und einen Dolch im Gurt, kurze weiße Haare; an den Haarspitzen schwankten ihm wie Ähren die Tausende erschlagenen Menschen. Sein bleiches spitzes Gesicht, buschige Brauen, starrer borstiger Schnurrbart, überrieselt von den verstümmelten Regimentern eines Menschenalters; sie hielten sich rutschend an den Knöpfen seines grünen Wamses, an seinem Gurt. Seine knotigen Finger bezeichneten ein jeder die Vernichtung von Städten; mit jedem Gelenk war ein Dutzend ausgerotteter Dörfer bezeichnet. Über seine Schultern schoben sich her, zappelten die Körper der gemetzelten Türken, der Franzosen, der Pfälzer, und doch sollte er damit erscheinen vor Gericht einmal, samt ihren Pferden und Hunden, die über ihm hingen kreuz und quer, einer vor dem andern, über dem andern, eine ungeheure Last, so daß sein Kopf samt dem Hütlein darunter verschwand. Die aufgerissenen roten und borkigen Hälse, Bäuche mit weißen regsamen Farben, geädert, triefend über die geschlitzten zurückdrängenden Arme und die einknikkenden Beine. Darmschlingen am langen Gekröse, in die er sich verwickelte, wampend und schwabbelnd über die sich stemmenden lederverwahrten Knie, eine riesenlange, weiche, wurmartig rieselnde Schleppe, an der er ruckte, riß, keuchte, wenn er ging. Ein Mammut, belastete er den Boden; aber eisig hielt er sich, hörte nicht das Gebrüll der Menschen, das markerschütternde Schreien Schrillen Pfeifen der Pferde, die sich alle an ihn hielten, ihr
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