Wallenstein (German Edition)
Collaltos, des jetzigen Feldmarschalls. Collalto, sonderbar verbissen und erglühend, verlangte Auslieferung des Oberstleutnants an ihn, den Regimentsinhaber. Der General lehnte den Einspruch ab. In Wien freute man sich schon lebhaft über den Vorfall. Da gab Collalto nach, bevor eine kaiserliche Instanz mit der Sache befaßt wurde. Auffallend rasch nach anfänglichem Grimm gab er nach; im Hauptquartier erzählte man sich ein Wort des Generals, der Graf Collalto solle nicht so um die paar Faß Wein jammern; deutlicher wisperten andere, der Oberstleutnant habe für seinen Oberst das Stück unternommen. Und ohne daß sich äußerlich das Verhältnis der beiden obersten Personen des Heeres änderte, verschwand noch während der Winterquartiere der strenge rotwangige Collalto aus Halberstadt; unvermutet gelangte an den Herzog die Nachricht, der Feldmarschall, sein Herr Bruder, sei aus seiner Stellung ausgeschieden, man habe ihn wieder als Präsidenten des Kriegsrats angenommen. Man hatte sich in Wien durch Collalto verstärkt.
Die Losung in der Burg: ihn niederhalten. Die Unterhaltungen Eggenbergs Questenbergs und sogar des verwachsenen feinen Trautmannsdorf waren auf diesen Ton gestimmt: niederhalten. Plötzlich erschien im unschlüssigen Wien, mitten im strengsten Winter, eine ungewohnte Person, der Graf Wilhelm Slawata, der böhmische Oberstlandkämmerer, nahm an einigen höfischen Unterhaltungen Treibjagden Konzerten teil. Er, Vetter des Friedländers, von erwiesener Kaisertreue, streute Gift um sich, daß selbst die Räte erschraken. Er zog die Affäre ihres gemeinsamen Verwandten Smiřický hervor, dessen Vormund der jetzige Herzog gewesen sei und dessen Habe er sich nach dem Verrat und dem Ausschluß aus der alten böhmischen Adelsgesellschaft angeeignet habe; der Kaiser sei über den Vorgang falsch informiert worden. Er rührte an den Vorfällen, die mit der Existenz eines geheimen Münzkonsortiums zusammenhingen, brachte Tatsachen von so haarsträubender Korruption vor, daß er sich fast der Lächerlichkeit aussetzte; man konnte nach seiner Darstellung schließlich den Kaiser selbst der Teilnahme an jenem peinlichen Verbrechen zeihen. Man mußte über den erstaunlich veränderten, plötzlich so sensationslüsternen stillen Grafen zur Tagesordnung übergehen. Er sah sich am Hof freudig aufgenommen, interessiert festgehalten, dann isoliert; seine Worte blieben liegen. Lautlos zog er sich plötzlich, wie er erschienen war, in seinen Prager Dienst zurück. In Wien summte man hinter ihm; man rechnete auf ihn; hastig übergab man ihm ein Geheimreferat über böhmische Angelegenheiten.
Und man konnte hoffen, baldig dieses neuen Herzogs und Generals über eine unkaiserliche Armada entledigt zu werden. Denn sein Erscheinen auf dem Kriegsschauplatz, die Drohung mit der kaiserlichen Gewalt, hatte die Niedersachsen bewogen, sich zu Verhandlungen zu bequemen, die in Braunschweig stattfanden. Man schickte die verlässigsten Unterhändler hin, gab die schärfsten Instruktionen, nachzugeben bis an die Grenze des Möglichen. Aber während der langen Debatten ergab sich zur Greifbarkeit, daß die Kreisdeputierten nichts als Verschleppung vorhatten, um ihren Bundesgenossen Zeit zur Verstärkung zu geben. Und zu ihrem Groll erkannten auch die Unterhändler, daß Wallenstein die Atmosphäre gründlich verdorben hatte mit drohendem Auftreten, skeptischer Ablehnung, selbst an den Gesprächen teilzunehmen. Er warb rastlos weiter. Spione über Spione warf Wien über ihn, suchten sich an ihn zu hängen. Der Kaiser hatte dem Heer die Sanktion gegeben; jetzt schwamm es draußen in der Welt, im Reich herum, von Woche zu Woche unfaßbarer. Sie hatten dies Roß gezäumt, den Reiter in den Sattel gesetzt; Roß und Reiter jagten; wer wollte sie wieder in den Stall bringen. Sie mußten hören, was man ihnen auf Hintertreppen zutrug. Von dem Herrn kamen manchmal Meldungen, und wenn sie nicht kamen, so kamen sie nicht.
Da schien es ihnen besser, von Zeit zu Zeit zu tasten, daß er sie nicht vergäße. Denn unzweifelhaft bewies er sich ergeben der Römischen Majestät; er hatte die strengsten Beweise dafür geliefert, sich der Schmach, der Volksverachtung ausgesetzt. Und langsam kam in den schwerfälligen Körper des Geheimen Rats und der Kammer ein Vibrieren, ein Mitschwingen, ein Mitklingen. Wie wenn einer an der Wand lauscht und unwillkürlich aus seinem Mund die Töne kommen, die auch drüben gesungen werden.
Der matte Winterkönig,
Weitere Kostenlose Bücher