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Wallenstein (German Edition)

Wallenstein (German Edition)

Titel: Wallenstein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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des Bastards Mansfeld zu erzählen. Das ungeheure sonderbare Treiben zog sich in das Magdeburgische hin; bei Dessau hatten die Wallensteiner die Elbbrücke verwehrt, mit großer Macht lagen sie hinter Schanzen da, warteten auf den Dänenkönig.
    Urplötzlich eines sonnigen Apriltages warfen sich unkenntliche Streifkorps gegen den Brückenkopf, schwammen auf Kähnen elbaufwärts. Als wäre es ein Spuk, tauchten aus den Wäldern und Dickichten berittene Mönche und Bauern auf; man wußte nicht, wer es war, aber sie griffen an. Griffen an, daß die Wallensteiner zusammenschmolzen, Schrecken über sie fiel. Die Nacht kam; in der Flanke erschienen die abenteuerlichen Feinde rechts, links, die Front der Schanzen hatten sie eingedrückt. Der Friedländer, im Augenblick bewußt, einem Mansfeldschen Durchbruch gegenüberzustehen, rasselte ritt flog die Nacht, den Morgen durch. Er gab stückweise Kraft von sich; die erste stärkte den Widerstand und war blitzschnell da; die zweite wühlte sich Laufgräben bei den Schanzen, lief gedeckt vor; die dritte faßte die siegesheiß vordringenden Reiter in der ungeschützten Flanke, jagte sie zur Seite, ließ sie in die Laufgräben vorrennen. Die Hauptkraft des Böhmen wallte über die Umzingelten Verjagten her, schmetterte sie mit einem langhintreffenden Schlage zu Boden. Die letzten waren die schlachtenden Arkebusiere Gonzagas und Coroninis, Lauenburgs beilwerfende Kürisser, Kroaten Isolanis mit der Spitzhacke, dem Schlaghammer und türkischen Jatagan. Mittags wußte Wallensteins ganzes Heer, daß diese einmal säbelschwingenden Mönche, diese einmal schießenden Kaufleute, einmal schwimmenden Fuhrmänner Flüchtlinge Bauern die Mansfelder waren, die in Rauch aufgegangen waren.
    Der Mansfelder entwich in die Mark. Es fiel noch einmal Schnee. In einer Nacht trug man den kurzen asthmatischen Mann von einem zweirädrigen Bauernkarren herunter in ein mondbeschienenes Gehöft, dessen Bewohner ihm und den zehn Begleitern ihre Stuben einräumten, vor dem Hause sich ansammelten, wo der herzkranke Graf mit dem Tode rang. Man wollte ihm zum Aderschlagen einen Barbier holen oder einen Arzt aus Tangermünde. Er, in Stahlkappe und Brustharnisch, mit vorquellenden blauen Augen, keuchendem Atem winkte ab, am Tisch hinter einer Kerze stehend, sich festhaltend. Die ganze Nacht setzte er sich nicht. Wenn man ihm einen Sessel zuschob, stieß er ihn rückwärts mit dem Fuß zurück. Kleine Schlucke Weißweins ließ er sich in den Mund eingießen. Blickte immer steif auf das kleine viereckige Fenster, wo das Mondlicht weiß hereinquoll. Als draußen die Hähne krähten, sank sein Rücken zusammen, er seufzte zum erstenmal, legte sich quer auf das Bett des Bauern. Nach einem gekeuchten Fluch trank er, die Arme zitternd, einen halben Krug Wein aus, blickte in seinem Stahlpanzer schauernd den herumstehenden Offizieren unter die Augen: was sie nun dächten. Er röchelte, ohne ihre Antwort abzuwarten: »Einmal ist keinmal. Wir fangen dasselbe Ding, dasselbige Ding noch einmal an.« Sie hoben ihn nach einer Stunde wieder auf den Karren; der Pfaffenkaiser solle nicht glauben, er sei zahm und lieb wie der Pfälzer Herr; er werde dem Friedländer bald am Kragen sitzen, dem Pfuscher, der sich die halbe Welt kaufe und vermeine, damit sei es geschehen. Lauschende Reiter voran, Laternen ausgelöscht.
    Zu ihm stießen die Reste des geschlagenen Heeres; von den Dänen kamen viele herüber, schottische Fähnlein, die, seit Hamburg auf seinen Spuren, zu spät die Dessauer Brücke erreichten. Ohne Lärm schlossen sie sich in der Mark zusammen; Bauern und Adlige gaben ihnen Geld und Proviant, Pferde Zaumzeug und Wagen, als sie hörten, die Katholischen hätten gesiegt. Bitter lärmte das Volk, daß der Markgraf von Brandenburg sich nicht kümmere um die Dinge, den Mansfelder, der das Land verteidige, verkommen lasse. Aus Städten und Dörfern strömten sie dem tapferen ingrimmigen Kleinen zu, dessen zweites Wort war: »Kaiser? Was! Pfaff und Jesuit!« Erschauernd vernahm das Volk die Gerüchte von der ungeheuren Heeresmacht, die der kaiserliche Feldherr langsam herantrieb gegen die Mark, um sich des geächteten Mansfeld zu bemächtigen. »Der Friedländer«, flüsterte es fingerhebend in den Gassen, der grausige Mann des Kaisers, der Jesuiten, der riesenreiche Mann, böhmische Verräter, der sein eigenes Volk geopfert habe, dem alle zuliefen, weil er alle bezahlen könne, das Glück der vagierenden Räuber und Soldaten,

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