Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wallenstein (German Edition)

Wallenstein (German Edition)

Titel: Wallenstein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
Vom Netzwerk:
Herren! Habt Geduld! Laßt uns noch eine Zeitlang siegen. Warum so kurzatmig? Mir, dem sehr beliebigen Trautmannsdorf, sogar Euch, dem verdienten Fürsten Eggenberg, kann zwischen heute und morgen Schlimmes vom Herzog begegnen. Und zwar Endgültiges. Derart, daß wir mit Homer lieber lebendige Mäuse wären als begrabene, beiseite geschaffte, allerhöchste Würdenträger und Bemäkler Wallensteins, des Feldherrnwunders und so fort. Vorläufig hat er es aber gar nicht mit uns zu tun. Ich betone: vorläufig; ich lege Gewicht auf den Zeitpunkt. Und Habsburg, oh, das nimmt es mit sehr vielen Attentätern Bösewichten Hochverrätern auf. Das lebt sehr ungerührt und kaltherzig über solche momentanen geistreichen Einfälle hinweg. Das meint Ihr doch auch. Einem Herrscherhaus wie den Habsburgern kann im Grunde gar nichts passieren. Und damit, Euer Liebden, möchte ich rechnen. Es ist nicht so kurios, wie es scheint. Ich lasse dem Herzog seine Insolenzen und Maßlosigkeiten durch. Als Vorspann macht er sich gut. Ein wildes Pferd schlägt auch mal gegen den Wagen. Warum nicht? Es zeigt damit, daß es töricht ist und eventuell nicht in den Stall geführt wird, vielleicht sein hoffnungsvolles Leben in einer Roßschlächterei endet.«
    In Prag hatten unter den Feiern andere Boten vergeblich Zutritt zu den krönungstrunkenen Majestäten gesucht, stille, sehr wenig eilige Männer, Greise, bettlerhaft gekleidete Menschen in großer Zahl, müde und verloren herumwandernd, sich umblickend. Sie drängten traurig zum Römischen Kaiser, Bürgermeister des niedersächsischen Kreises, Ausschüsse von Stadt- und Dorfgemeinden, die nicht wußten, ob ihre Heimat noch aus mehr bestand als Schutthaufen, leeren Häusern und Ställen; ihre friedliche Menschenherde zerstäubt, Kinder, Bauern, Frauen, Tiere. Sie hatten sich eine grausige Audienz ausgedacht, da sie nicht redekundig waren, auch nicht viel von Worten erhofften. Sie schleppten zwischen lose gebundenen Brettern Leichen ihrer Stadthäupter und Vorsteher mit weiter nach Wien; auf die Deckel hatten sie genagelt beschriebene Rollen, Urkunden, enthaltend die kaiserliche Zusicherung von Privilegien und Freiheiten; mit Siegeln hingen beschwert aus den triefenden schimmligen Spalten der Gehäuse Schutzbriefe des kaiserlichen Generals oder seiner Obersten; kleine aufgeklebte Zettelchen nannten den Preis der Salvaguardien. Etwa sechs dieser Leute starben zwischen ihrer Heimat und Prag, mißhandelt wie sie waren, auf die beschwerliche Fahrt mitgeschleppt, um ihre Wunden, Brüche, Geschwüre, Hinfälligkeiten sprechen zu lassen; sie vermehrten die Zahl der Särge. Man wich der stinkenden Gesellschaft aus, Torwächter Stadtgarden ließen sie unbehelligt, weil sie Beerdigungen annahmen; sie mußten, wochenlang hingehalten, mit Bettelei sich durchschlagen, hingen zäh und still an der Burg des deutschen Kaisers. Bis der Kaiser von ihnen gehört hatte und begehrte sie zu sehen und zu sprechen. Er ließ ihnen, bevor er sie annahm, am Burgeingang ihre Särge abnehmen, die Särge in Wagen stürzen, durch die Totenbrüderschaft begraben. Sie selbst, in einen Vorsaal gelassen, hörten schon vor dem Empfang sein Schmähen, Aufstampfen gegen eine Person, die sie nicht kannten. Es war der hohe weißbärtige Obersthofmeister Meggau, der die ungewöhnliche Audienz zu verhindern suchte. Wie er bleich, heftig atmend, mit erregten Blicken die Tür öffnete und die Schar an sich vorbeiließ, wo sie in einem Haufen an der Tür sich sammelte, zuckte sein feinhäutiges Gesicht vor Widerwillen und Ekel. Der Kaiser, ohne sich ihnen zu nähern, Schweißperlen auf der Stirn, schrie sie wild an, sie möchten herein, sie sollten die Tür schließen. Er hieb auf und ab gehend in eine Masse von Rollen, die auf seinem Schreibpult hinter einer Eichenbarriere lagen. Maßlosigkeit, Gedankenlosigkeit warf er ihnen vor. Glaubten sie, er wüßte nicht? Was heiße das: Leichen mit sich herumschleppen? Ja, was das heiße? Als sie ohne Antwort sich umeinanderschoben und sich fast hintereinander versteckten, prasselte sein Schelten hitziger gegen sie her. Vergessen der Untertanenpflicht sei es, Rebellion, malefizischer Aufruhr. Dazu Beleidigung, ja vornehmlich dies, Beleidigung seiner Person und Stellung. Und dann zu wagen, vor ihn zu kommen, in sein Haus, ihm den Spott in seinen eigenen Mauern antun. Da machte sich einer Mut und auf Tod und Leben lossprechend sagte er etwas von ihren unertragbar gewordenen Leiden, bat um die

Weitere Kostenlose Bücher