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Wallenstein (German Edition)

Wallenstein (German Edition)

Titel: Wallenstein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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liegend, nacktschädlig, brustfließenden Bartes, eine stämmige dickbäuchige Masse, lappige Bakken, blickte aus verquollenen munteren braunen Augen um sich; es sei schon fast zuviel getan, sich mit dem sogenannten Herzog von Friedland zu beschäftigen. Denn das sei zuerst zu bedenken: wer ist dieser Mann eigentlich? Haben Edle, gefürstete und gekrönte Häupter wie sie, es wirklich nötig, sich mit einem Böhmen aus dem Hause Wallenstein zu befassen, Häuser, die es zu vielen Dutzenden in Böhmen, zu Hunderten im Reich gebe, noch bessere als Wallensteins? Wenn er auch jetzt Herzog von Friedland sei oder von Sagan. Der Kurfürst lachte kräftig kopfschüttelnd, die andern wie er; da könnte er sogleich ein halb Dutzend seines Hofgesindes adeln freiherrn und grafen lassen und seien doch eben Küchenjungen Boten Pürschmeister gewesen und nun nicht einen Heller und böhmischen Groschen besser. Nein, nicht einen Groschen besser seien sie dadurch. Und damit legte er sich, die Hände über dem Bauch, zurück, fast gesättigt; noch gelegentlich knurrend: »Kurios, spaßhaft.« In schwarzem Atlaskleid, silbern ornamentiert, mit bauschig hervortretenden Hemdspitzen beider Ärmel, ernst und hoch unter einem bunten Reiterbild der durchlauchtige hochgeborene Fürst und Graf zu Hohenzollern, Herr Johannes, hielt die Arme verschränkt über seiner langen Perlenkette; wie bitter es zu denken sei, monierte er leise gegen den Dresdener Koloß, daß sie ernsthaft in großer Versammlung über Personen derartiger Natur zu verhandeln hätten; es gäbe niemanden in dieser Gesellschaft, der der fraglichen Person nicht überlegen sei sowohl in Art wie Geist Charakter Frömmigkeit; vom Stand zu schweigen. Und doch hätten es die Dinge, der Verlauf im Reich gefügt, daß sie über die Person handelten, nicht allein ernsthaft, sondern sogar mit größtem Gewicht. Ein Kölner, schwer wie ein Stier, in blauem Tuch dasitzend, legte nahe, dem Römischen Kaiser zu bedeuten, wie man über diese lärmmachende fatale Person denke. Die Fürsten und Regenten seien angestammt ihren Ländern und Untertanen, sie hätten wohl ein Recht, gehört zu werden, wenn in dieser Weise deutsche Art beseitigt und über den Haufen geworfen werden solle. Da käme ein Taugenichts, ein Brausewicht daher, wild wie ein Sturmwind, reiße an Bäumen und Gewächsen – nun, er werde sich verrauschen und verbrausen, aber genug Schaden richte er an und sollte nicht geduldet werden um seines Tosens willen.
    Sie tranken, freuten sich ihrer Einigkeit, erzählten von niederländischen Bildern, kamen auf das Reich zurück. Das Neuste, das Neuste im Heiligen Reich. Herr Wallenstein und Böhmen. Wer wird ihm noch Länder verkaufen zu billigem Preis, damit er dem Kaiser besser Vorschüsse leisten kann? Die Jüdlein haben ihn im Sack. Wie lange klopft Herr Bassewi, das Hofjüdlein aus Prag, in der Burg an: »Kaiserliche Majestät, alles vertan; wollen die Majestät noch leben, müssen sie ein Jüdlein werden, einen gelben Fleck auf den Purpurmantel nehmen. O Heiliges Jüdisches Reich Deutscher Nation.«
    »Seid nicht so kräftig«, warnte der zufriedene Kurfürst; sie aßen Lebkuchen von Tellern, die sächsische Pagen herumtrugen. »Es ist schon gut, wenn wir uns hier zusammenfinden. Nicht verzagen, nicht übermütig sein. Mag der Römische Kaiser wissen, daß wir hier zusammensitzen und unliebsam die Dinge im Reich empfinden. Er wird uns gnädig anhören.«
    Der feine Kurz von Senftenau, vom Bayern geschickt, neben dem Hohenzollern sitzend, rosig wie ein Kind, klein, die Stirnhaut ständig gerunzelt, pfiff: »Der Böhme wird sich lustig machen über uns. Wir wissen ja, daß er die Liga verachtet und unsern Grafen Tilly erbärmlich und veraltet findet. Er ist sehr sicher, der Böhme, er verachtet das Alter. Er wird seine Macht erfahren. Wir haben, still mit unseren Völkern am Boden liegend, die Jahrhunderte für uns. Der Böhme soll versuchen, diesen Urwald zu roden. Ein einziger Baum kann ihn umwerfen. Er ist ein Knecht Habsburgs, einer von den zahllosen; eines Tages wird Habsburg ihn abschütteln.«
    Grollend zustimmend richtete sich der schmerbäuchige Kurfürst im Stuhl auf: »Auf einem unterwühlten Boden lebt der Kaiser. Seine Räte sind gekauft, es bleibt ihm nichts übrig, als sich ihnen zu fügen.«
    Auf dem riesigen Treppenflur und im Prunkvestibül wurden die Schritte vieler Menschen laut. Während einzelne feierlich gekleidete Männer von pikenbewehrten Trabanten und

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