Wallenstein (German Edition)
ließen sich in der Abenddämmerung blicken, scheuten bald frech das Tageslicht nicht. In den Monaten April Mai sah man sie über die dreizipfligen Gipfel des Sperlingsteins mit den Spießen im Rücken herumlaufen, langen wippenden mit Widerhaken versehenen Stangen, die oberhalb der Hüften in ihrem Fleisch saßen, mit denen man aus dem Höllenabgrund geworfen haben mußte, als sie entwichen. Sie taten in diesen Monaten, als trügen sie wie müde Knechte der Artillerie ihr Schanzzeug da hinten in einer Lederröhre am Leib und als mochten sie es nicht von sich tun. Man entlarvte sie aber mehrfach, als sie leicht berauscht am Schloß Tetschen die Mäntel von sich taten und unversehens die Bedienten der Losamente nach dem lustig schaukelnden Gestänge zugriffen, um es davonzutragen. Ein mordsmäßiges Geschrei, schrilles Keifen und Jaulen erhob sich, die beiden Gevattern warfen die Arme hoch, ihre Augen hingen ihnen wie Äpfel vor der Stirn, ihre Leiber bogen sich nach vorn unter den schönen Westen zusammen, die Stangen zitterten, klirrten metallisch auf den Dielen, jach sausten die Gesellen, Rauch um sich schüttend, heulend in den Schornstein, von den Spießen lief grüner Saft herunter, noch vom Dach klapperten und pfiffen sie. Gegen Ende Mai war es aber in der ganzen Gegend, in der sie sich herumtrieben, schon zu bekannt, daß sie entlaufene Teufel wären. Sie hatten einmal selbst davon geplaudert, daß man sie bei einem Aufruhr in der Hölle nicht hätte bändigen können, die Aufruhrsucht in der Hölle wüchse von Tag zu Tag, es werde alles keck und ließe es auf Gewalt ankommen; sie seien nur die Vorläufer von ganzen Scharen. Die beiden konnten sich darauf nirgends mehr sehen lassen, und eines Abends bemerkten Viehtreiber an der Berghalde bei Bodenstadt ein stumm ringendes Paar im Klee, das anscheinend mit Spießen sich zu Leibe ging. Aber es waren Teufel, die geschworen hatten, sich umzubringen oder sich von den Stangen zu befreien. Sie warfen sich in heißem Kampf rechts und links; wie Schwänze, die hochgehoben waren, zappelten an ihnen die Stangen; plötzlich hob der eine den andern, ein Knall, ein rasender Schrei, Wimmern; der eine lag bleich bewegungslos auf dem Rücken, die Lanze dreißig Schritt zersplittert vor ihnen, der Sieger kroch nach ihr, beschnüffelte ihr Ende, von dem das grüne Satansblut troff. Er richtete den Bewußtlosen auf, fuhr ihm mit dem Arm in den Rachen, holte die Zunge zurück, spritzte ihm seinen brennenden Harn ein, wobei der andre würgte, sich wand und wieder zu sich kam. Mit Baumrinde verpflasterten sie das sickernde Loch am Rücken. Dann bellten sie wieder gegeneinander. Der Sieger lief heulend vor Neid um den geraden schlanken andern; der nahm die abgebrochene Eisenlanze, band seinen Gefährten an einen Baumstamm und fing an, lustig auf dessen Stange zu klopfen, darauf ihn zu bespeien und, des Jammerns nicht achtend, zu ziehen, bis er rückwärts stürzte, vom grünen Saft begossen, und jener bald verreckt wäre. Entschlossen stemmte sich der andre an ihn, preßte, Rücken gegen Rücken, die Wunde zu, verstopfte sie mit Pech, das ihm zwischen den Zähnen hervorquoll, und mit dem Körper eines toten Kätzleins, das gerade vor seinen Füßen lag.
So erschienen sie einmal unversehens zu zweit mittags vor der Wegkreuzung bei Bodenstadt, als nackende buschige Teufel, mit trappsigen Pferdefüßen, roten Fellen, stieren Glotzaugen, das schwarze Haar in Strähnen nach rückwärts gestrichen, kaum größer als ein zehnjähriger Junge, rauh miteinander schnatternd. Die Vögel auf den Feldern schwirrten vor ihnen auf. Plötzlich schwirrten die Teufel selber als Raben hinter einer Magd her, über deren Schultern sie fielen, hackend mit ihren spitzen Schnäbeln in das blanke Fleisch. Das gräßliche Gebrüll der Weiber und Knechte; das Geifern der scheugewordenen Ochsen, Flattern der Hühner und Quieken der Schweine war grausig. Die Bauern verbarrikadierten sich in ihren Häusern, läuteten Sturm. Nach einer reichlichen Stunde kamen zwei modisch gekleidete edle Herren des Wegs, hatten Lehm an den seidenen bebänderten Schuhen, schienen ermüdet. Sie sahen erstaunt auf der toten Dorfgasse um sich, riefen sanft nach Menschen, nach einem Trunk Wein, spielten mit ihren Degen. Zaghaft öffnete man die Läden; man fragte aus den Fenstern heraus, ob sie nichts gesehen hätten. Aber die hatten nichts bemerkt; nur einen abscheulichen Gestank hätten sie, wie sie verwundert erzählten, gespürt,
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