Wallenstein (German Edition)
danke der himmlischen Jungfrau für die Gnade jetzt und immer; sie will uns wieder Freiheit geben und uns den Entschluß erleichtern.« Dann: »Jetzt, du mußt verstehen, Richel, jetzt hat sich der Kaiser in unsere Hände gegeben. Er drängt sich selbst an den Ort des Gerichts hin. Denn wir werden seinen Sohn nicht wählen. Bis wir sicher sind, daß er klein beigibt.« Als Richel nach einigem Stillschweigen den Namen Wallenstein aussprechen wollte, stand Maximilian auf. Und Richel erkannte diesen Mann. Er sah in dem marmorfeinen Gesicht denselben höllischen Ausdruck, den es getragen hatte, als Kaiser Ferdinand, von der Frankfurter Krönung in München eingekehrt, neben Maximilian die schöne und reiche Kapelle verließ; im fast schweigenden Hin und Her wurde dann dem Kaiser die Führung im kommenden Krieg abgerungen. Und als der Kaiser unterschrieben hatte, war es an einem Montag, dem herzoglichen Gerichtstag, gewesen, daß der Kaiser eine volle Stunde in der Sommerstube eingeschlossen mit Max verweilte. Die flüsternde, beschwörende Stimme des Habsburgers; die knappen, befehlerischen Sätze Maximilians, Hinfallen eines Degens. Jähe Abreise des gebrochenen Kaisers.
Ordonnanzen gingen an die französische Gesandtschaft. Charnacé traf ein. In größtem Geheim wurden unter ständiger Korrespondenz mit Fontainebleau Verabredungen getroffen.
EINE SCHWERE Erregung bemächtigte sich in diesen Tagen, in denen die Einberufung eines Kollegialtages zu Regensburg beraten wurde, des ganzen Volkes. Die Professoren der Tübinger Universität beobachteten nächtliche Schlachtordnungen am Himmel, beschrieben das Kriegsgetümmel, hörten das Rasseln der ansprengenden Kürassiere. Bauern verbreiteten Gerüchte, sie hätten Kämpfe einzelner deutscher Stämme und Fürsten gegeneinander gesehen am Himmel, Wagen mit Stangen seien gefahren, Sturmleitern wurden geworfen. In Dillingen trug ein Rechtsbakkalaureus sein Traumgesicht vor: der Kaiser ermordet von Wallensteinischen Kroaten.
Vom Reichserzkanzler, dem Mainzer Erzbischof Anselm Kasimir, wurde auf das Drängen des Kaisers das Ausschreiben zu einem Kollegialtag nach Regensburg erlassen. Da fuhr der Bayer wieder auf den Heiligen Berg Andechs in einer unbezwinglichen Spannung. Auf die nackten Altarstufen hingepreßt, betete er in einer krampfhaften Aufwühlung; er dachte an die Schweißtropfen Christi auf dem Ölberg, der Dornen, die sein heiliges Haupt umgaben, der Schläge, die er in der Geißelung litt, der heißen Zähren, die er vergoß, der Seufzer, die er tat, der süßen Rosen seiner fünftausend Wunden. Er flehte, geknechtet verwirrt auf den Bahnen des Gebets laufend, Herr Jesus möchte durch die flüsternden, perlenden, quirlenden Brunnen, die aus all seinen heiligen Wunden sprudelten, so reichlich, seine arme durstige Seele zu erquicken geruhen.
Schwarz stand im Schatten auf einem Seitenaltar das mannshohe Kreuz mit dem sinkenden Heiland: anblicken sein verwundetes Herz, ringen um die Erlösung; anblicken die rechte Hand, die Sünden zu erkennen gab; anblicken die linke, den rechten Fuß, den linken Fuß, Barmherzigkeit, Buße, Gerechtigkeit. »Gnade, Herr Jesus!« Maximilians Pferde jagten wieder herunter nach München. Stöhnend saß der Kurfürst vor dem Jesuiten Contzen, wischte sich den Schweiß von der Stirn, beruhigte sich nicht. Und während Contzen den Entschluß des Bayern, die Franzosen an sich zu ziehen, maßlos lobte, durchzuckte den Kurfürsten der Gedanke: mit Wallenstein selbst in Verbindung treten! Wallenstein im letzten entscheidenden Augenblick vom Kaiser abziehen, ihm Mecklenburg und was er sonst hatte anerkennen. Ihm Reichsfürstenwürde zugestehen!
Sich Wallensteins bemächtigen!
Woher diese Verwirrung! Woher diese Befehle, dieser Zwang!
Maximilian erblaßte unter der Raserei dieser Gedanken. Sie waren wahnwitzig; seine Augen wurden matt. Halb ohnmächtig sank er seitlich über die Lehne seines Sessels. Und dann, als der ängstliche Jesuit ihn aufrichtete, drückte der verwirrte Fürst seinen Arm. Er ließ sich von Contzen hochziehen, und wie er auf den unsicheren weichen Füßen stand, fiel er umarmend gegen die Brust Contzens, mit den Zähnen klappernd, wimmernd, an allen Gliedern zuckend. Schritt um Schritt führte Contzen den verzerrt blickenden Kurfürsten in die Nachbarkammer vor den kleinen Marienaltar. Da beruhigte sich der Fürst; der Leibkammerdiener konnte gerufen werden, Contzen wurde mit einem unverständlichen Lächeln entlassen.
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