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Wallenstein (German Edition)

Wallenstein (German Edition)

Titel: Wallenstein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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er links herum auf den Rükken. Und während er schlug, flossen ihm die Tränenwasser aus den Augenhöhlen über den Mund auf den Teppich. Von den Flanken rieselte Blut. Es wurde ihm, als ob ein anderer ihn schlug, diese Arme eines Fremden gewalttätige, unbarmherzige, unerbittliche Werkzeuge, unter denen sich sein Körper leidend bog; ächzte, wühlte, bäumte sich, wich aus, fuhr zurück; die Arme ließen nicht nach, ohne Gefühl. Und da war die Hand in der Luft erstarrt, der Hand in der Luft die Peitsche plötzlich entfallen, die Peitsche lag da, er zuckte zurück, zuckte, zitterte; und bevor er erkaltete, wühlte er um sich auf dem schlüpfrigen Teppich, bis seine Finger das lange, feine, vergiftete Stilett in der Scheide berührten, das er immer suchte in der Verzweiflung des Geißelns, auf der Höhe, um das Verderben von sich abzuwenden, um sich zu beruhigen, zur Besinnung zu bringen. Er drehte es, die Scheide löste sich, fiel herunter, er drehte, suchte es durch die Tränen zu erblicken; drehte es. Er hielt es liebevoll an der Brust, drückte es an seinen bloßen Hals, an die gekräuselten Barthaare; lag stöhnend, schnaubend, sich wälzend auf dem Boden; der Stachelgürtel löste sich, krampfartig erbitterte Stöße fuhren durch seinen Leib. Dann schob er sich schnaubend, verwüstet, besudelt, ein Winseln unterdrückend, unmenschlich auf die Knie, in die Höhe, wackelte blutäugig auf dem Schemel. Klingelte später nach Wein.

    DER DICKE Rambold von Collalto, Herr von Pirnitz, Deutsch Rudoletz, Tscherna, hielt Mantua blockiert. Er selbst lag schlemmend, trotz seiner Kehlkopfschwindsucht, zu Marignano; seine Untergenerale Gallas und Aldringen regierten die Armee. Der spanische Feldherr Ambrosius Spinola, ein alter Mann, stieß gegen Montferrat, vertrieb die Franzosen, jagte sie in Casale zusammen.
    Der Krieg blühte. Neue Truppen führten französische Marschälle heran.
    Da wurde dem Herzog zu Friedland, der in Karlsbad zur Kur war, die Nachricht von Wien überbracht, daß zu Regensburg ein Kollegialtag stattfinden werde, da des Kaisers Majestät die Wahl seines Sohnes zum deutschen König fordern werde. Der Friedländer riß in seiner Ritterstube sich den Hut ab, trampelte darauf herum: den Kopf müsse man den Kurfürsten vor die Füße legen. Sie zusammenrufen zu einem Tag! Auseinanderpeitschen die Verschwörer. Er wütete. Man mußte ihm von Wien Kuriere schicken; die Botschaft sollte aufgeschoben werden. Niemand hatte Neigung, die Sache zu betreiben. An Ferdinand selbst schrieb er, zweimal mit stärkster Dringlichkeit, erreichte nichts, als daß der Kaiser lächelnd sagte: »Der Krieger! Er will nichts als Soldaten und Schlachten. Und schon ist ihm nicht wohl, wenn wir andern uns friedlich und verwandtschaftlich zusammentun.«
    Die Kur in Karlsbad brach der Friedländer ab, tobend über die kaiserlichen Räte: »Sind nicht genugsam mit Dukaten gestopft, die Herren. Sind sie nicht schlechte Lumpe, so sind sie trunkene Bärenführer. Der deutsche König! Sie erbetteln ihn bei den Pfennigfuchsern. Aber ich will ihnen allen die Suppe versalzen.«
    Er verschwur sich, trotz Kaisers und Wiener Räte sollte den Schelmen das Spiel verdorben werden, daß sie seufzen und Tränen vergießen würden. Er bestimmte augenblicklich die Stadt Memmingen, südlich der Donau, nicht weit von Ulm und nicht gar zu weit von Regensburg gelegen, zu seinem Hauptquartier und Truppensammelplatz. Mit größter Beschleunigung, hieß es, sollten alle Regimenter, die aus dem schwäbischen und fränkischen Kreis abkömmlich waren, aufbrechen hierhin. Transporte nach der Lombardei wurden umgewendet; verbreiten ließ er, sie sollten dort in einem Zentralpunkt rasch verfügbar stehen gegen französische Aspirationen auf das Elsaß und als Reserve des italienischen Heeres Collaltos.
    Er selbst machte sich, um alles selbst in die Hand zu nehmen, ungesäumt von Karlsbad auf den Weg. Der italienische Krieg hatte plötzlich für ihn kein Interesse mehr. Er war tief erregt.
    Siebzehn Sechsspänner trieb er mit sich, siebenundzwanzig Kaleschen zu zwei und vier Pferden, sechzig Gepäckwagen, hundertundfünfzig Berittene; allen voraus sein Kanzler Elz mit hundertundzwanzig Leibrossen, sechsundzwanzig Sechsspännern und Gepäckwagen. Die Gelder für die Reise wurden in Mecklenburg durch Kontribution erhoben. Der Herzog rastete in Nürnberg, wo er die Bitte des Magistrats um Ermäßigung der monatlichen Abgabe von zwanzigtausend Gulden abschlug; in Ulm

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