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Wallenstein (German Edition)

Wallenstein (German Edition)

Titel: Wallenstein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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Wie können die Juden danken, daß man sie nicht samt und sonders erwürgt. Wer weiß, ob wir gut daran tun, daß wir sie dulden; wie wir uns versündigen am Heiland.«
    Bürger, Zünftler, Gewerker, in Scharen um den Brunnen nahe dem Heringshaus, viele auf den Knien. Aus ihren Haufen fuhren die Drohungen gegen die beiden Judenmenschen über den Markt, immer von den Rufen und Spießen der Schergen niedergehalten. Weiber rotteten sich beim finsteren Linnengäßchen vor dem Haus zum »Silbernen Häslein«, mit Abscheu, mit Widerwillen die Verbrecher betrachtend, ihre Kinder zwischen sich versteckend, bei jedem Zangenbiß und Schnitt heulten sie auf, die Tränen liefen ihnen über die Bakken, manche erbrachen, manche blieben bei einem stummen Zittern, konnten sich nicht von der Stelle bewegen.
    Nonnen, braune Minoriten, weißkuttige Dominikaner über das Pflaster geworfen, stundenlang unbeweglich, die Lippen auf den kleinen Kruzifixen, durchschauert von dem unausdenkbaren Verbrechen am Leib Jesu; Gnade, Verzeihung erbettelnd, ringende Zerknirschung ohne Ende.
    Der Hof auf fliegenumwehten Rossen, edle Herren unter der Balustrade der Stadtschrannen, ernste, müde, feierliche, seidebehängte Männer, verächtliche Blicke auf die Delinquenten, manche freudig die Masse musternd, sich anhebend unter bewundernden Mienen.
    Ferdinand auf dem Balkon des Stadtrichters; erhöhter Sitz; der Beichtvater im schwarzen Jesuitenkleid neben ihm, kalt saßen sie, halb abgewandt von der Bühne. Zerstreut hörte der Kaiser auf die Belehrung des alten Mannes. Wie kam es: Digby fiel ihm ein, die Saujagd bei Begelhof, der Graf Paar. Wo war Digby? Übermüdet gähnte der Kaiser, verkniff den Mund unter dem faden Geschmack aus dem Magen.
    Ein lateinisches Lied hoben die Scholaren zu singen an.
    Der Scharfrichter tastete den biegsamen Leib des Weibes ab, sie zog sich zusammen, flüsterte etwas; er beugte sein Ohr gegen ihren Mund; sie flehte wie ein Kind: »Ist jetzt gut? Ist jetzt gut?«
    Inzwischen war der blutrieselnde, gebrannte Schächer aus seiner Ohnmacht erwacht; den Kopf mit Gewalt hochstemmend, krähte er, wühlte mit den Gliedern in den Stricken. Wildes Gelächter erhob sich bei den Zünftlern, pflanzte sich zum Hof fort; exaltiert schüttelten sich die Weiber, schrien sich mit übertriebener Freude zu, küßten ihre Kinder, rafften die Röcke. Gekräh erscholl aus dem Hahnengäßlein, am Brunnen. Leicht wogte der Markt. Die Schergen gaben nach, man wallte hinüber, herüber zwischen Arkebusen und Stangen. Die süße Angst der Weiber hatte zugenommen, sie konnten sie mit allem Lärm nicht bewältigen, drängten zu den Männern. In grausiger Ruhe, wie Grabsteine, lagen Mönche und Nonnen am Boden.
    Im weiten Halbkreis schichteten Henker und Gehilfen unter dem Pfahl des Mannes Holz; seine Stricke waren ihm gelöst worden, Säckchen von Salz und Pfeffer wurden von weitem gegen seine Wunden gestäubt; er ging an einer Eisenkette um den Pfahl, drehte die Kette kürzer und kürzer, rollte sie wieder ab; rieb seine Wunden an dem Pfahl, bedeckte seine Arme, spie, bespeichelte seine Brust. Die Frau zog ihre Kette lang, sie rannte zu ihm, bis die Kette sie hielt, blieb armestreckend stehen, klirrte mit den Kinderzähnchen, rief zärtlich, unverständlich, kam unvermerkt, vorschreitend, abirrend, in einen zärtlichen Schritt, sich selbst mit ihrem Gurren und Zwitschern begleitend. Die Arme wiegte sie, das Atlaskleid schleifte sie keusch, die Augen, zwischen Husten und ersticktem Luftringen, erstarrt auf ihn dort, jenseits, in den Flammen, die Backen tränenüberströmt, auf Sekunden lächelnd hinschmelzend, wieder versteinert.
    Die Menschen, die andrängten, schob man zurück; ein Qualm erhob sich aus dem Holzhaufen. Als sich nach Minuten der Rauch verzog, stand der Schächer fest am Pfahl, das blaurot gedunsene Gesicht mit den gepreßten Augenlidern nach dem Platz, sperrangelweit den Rachen, gebläht und schwingend die Nüstern, als wenn er niesen sollte, die Knie übereinander, den Bauch hohl eingezogen. Plötzlich blies er die Luft von sich, zog die Arme voneinander, atmete, schnappte gierig. Langsam begann um ihn die Luft einen Wellenschlag anzunehmen, sie wurde sichtbar in kleinen zitternden Bewegungen, wirbelte flüchtig nach oben, schief und verzogen wurden die Erscheinungen hinter ihr. Er tanzte, sprang rückwärts, seitlich. Die Arme hatte er frei, er trug sie wie Fühler vor sich, raffte sie wieder an sich. Kleine Quellchen sprudelten

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