Wallenstein (German Edition)
mit der jungen Jesugesellschaft verwechsle; gegen ihn sei weder Kaiser noch Feldherr freigebig; ihn bettle man an, suche seine deutschen Einnahmen zu kürzen; nun breche man noch in Italien ein, damit die Spanier den Fuß auf ihn setzen könnten.
Mit sehr großer Strenge setzte er dem schweigenden General die Sachlage auseinander: in diesen endlos wütenden Kriegen der europäischen Menschheit sei die heilige Kirche die einzige Gewalt, die das Spiel der Menschheit im Auge behalte. Der europäische Erdteil biete den Anblick eines Höllenpfuhls. Und dies, weil die Herrschaft Roms längst übergegangen sei an beliebige Menschen mit irgendwelchen Machtmitteln und Geburtsdaten wie Philipp, Ferdinand den Andern, Wallenstein; von den Ketzern zu schweigen. »Sofern es eine Würde der Menschheit gibt, muß sie aus dem Kothaufen aufgehoben werden, in den sie tobsüchtige Weltlichkeit, verruchte Gewalttätigkeit und Ketzerei gestoßen haben. Es kann Uns in diesen Tagen begegnen, daß Wir, die Christi Stellvertreter auf Erden sind, Unsere letzten ärmlichen Kräfte verlieren; Wir können nicht die Menschheit regieren, nicht erheben, zur Besinnung rufen, sondern müssen spurlos verschwinden und dem Wunder Gottes ihre Rettung überlassen. Wir, das heilige süße Wort Christi verwaltend, machen Platz Schakalen, Untieren; man wird die Schönheit, Reinheit, den Glanz eines Menschengesichts nur noch aus frommen Bildern kennen. Nach solchen tausendjährigen Triumphen der Kirche verzagen, wie ich.« Vitelleschi erbat die Erlaubnis, zu sprechen: er bittet um Verzeihung, daß er geglaubt hat, wegen seiner Hinfälligkeit mit der Reise zögern zu dürfen; er hat den Umfang des Unglücks nicht vorausgesehen. Nördlich der Alpen ist ein Land, das die Kirche schon oft in die tiefste Betrübnis versetzt hat, es ist schwer, das rohe Volk dort zu einer Haltung zu bewegen, die sich ertragen läßt. Dort ist auch derjenige Luther geboren, von dem seine eigenen Zeitgenossen sagten, er ist kein Mensch, sondern der Teufel selbst unter menschlicher Gestalt.
Laut rief der Papst aus: »Wir unterwerfen uns nicht kampflos. Wir haben rechtzeitig erkannt, daß die Vorbedingung der Wirksamkeit des göttlichen Wortes unsere Unabhängigkeit von den tierischen Mächten ist. Wir haben ein Land, in dem wir residieren, mit dem wir den blinden Naturmächten zeigen, welche Gewalt den göttlichen Ideen innewohnt. Jeder Pfennig, der uns zugeht, wird zu nichts benutzt werden, als unser Land eisern zu machen, zu einem unerschütterlichen Wall. Wir sind keine Phantasten. Wir sind keine Dichter. Wir sind für die Erde eingesetzt auf Unserm Stuhl, man wird Uns nicht in die Luft blasen. Wollt Ihr mich verstehen?« Darauf verwies Urban, die Meldung eines Artilleristen auf später verschiebend, den Jesuitengeneral bei dem geschworenen Gehorsam auf die verfügbaren Machtquellen Deutschlands, auf die Lehrer Professen und Scholaren aller Grade, die das Volk meistern und es im Notfall widersetzig machen sollten, vorerst auf die Beichtväter der Fürsten.
Pater Lessius, gerade anwesend in Rom, erhielt von Vitelleschi Instruktion und Auftrag, sich nach Deutschland zu begeben. Er besaß die Kühnheit, die Route über Memmingen zu nehmen und nach Durchbrechung des tobenden militärischen Gürtels um die Stadt in die totenstille Ortschaft einzudringen, die auf jedem gangbaren Weg fußhoch mit Stroh belegt war. Der Herzog nahm ihn an, inmitten eines riesigen Zulaufs von Kriegsoffizieren Kurieren. Es war dem Jesuiten wunderbar, vom General dieselben Gedankengänge zu hören, die er gegen ihn in Regensburg ausspielen sollte: der Krieg der Christen gegeneinander müsse aufhören, man müsse sich auf Konstantinopel werfen. Der General schien ihm ein listiger, gefährlicher Gegner zu sein; er behandelte seinen Gast mit ausgesuchter Liebenswürdigkeit; undurchdringlich wünschte er ihm gute Verrichtung in Regensburg, wohin er leider selbst aus Zeitmangel nicht reisen könne.
Lamormain wurde in einer Zelle des Kartäuserklosters vor der Stadt von Lessius belehrt. Ein fürstlicher Beichtvater nimmt sich ohne weiteres, indem er sich des geistigen Wohls seines Beichtkindes annimmt, des kirchlichen Wohls an. Über das kirchliche Wohl befindet der Papst. In politische Dinge hat sich der Beichtvater nicht zu mischen. Hat aber das fürstliche Beichtkind Interessen, die das päpstliche berühren, so ist das Beichtkind auf den maßgebenden päpstlichen Weg zu führen. Dies erhellte ohne
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