Wallenstein (German Edition)
durch die hohlen Hände: »Wir haben dem Kaiser eine Schanze gebaut und haben dem Schweden den Paß verbaut.« Sogar das Gepäck ließ der Friedländer unbehelligt passieren. Eine kleine Besatzung war in der Stadt geblieben; der Friedländer nahm von ihr keine Kenntnis. Wie der Schwede westwärts zog, langsam, unter großer Sicherung, dachte er, der Herzog werde folgen. Der blieb bei Zirndorf liegen. Brach erst nach fünf Tagen sein Lager ab; seine Vorhut fühlte nordwärts auf Forchheim vor.
Noch einmal wurde der träg hinziehende geschlagene Schwedenkönig von einem wilden Angriffsdrang befallen, als er sah, daß Friedland sich nicht um ihn kümmerte. Er verteilte seine Streitkräfte, machte plötzlich mit elftausend Mann kehrt, wandte sich auf dem alten sieggezeichneten Weg südwärts nach Donauwörth, über die Donau. Nur den Bayern zog er vom Herzog ab, der sein Land schützen wollte, eine armselige Schar mit sich führte. Der Herzog blieb starr. Maximilian hatte es nicht erreichen können, daß Friedland sich Bayerns annahm. In den bayrischen Regimentern wußte man, daß der Kurfürst bei seiner letzten Bitte an den Herzog um Truppen von ihm angeschrien wurde. Maximilian suchte seine Räte über die Situation mit schmerzlichem Lächeln wegzutäuschen: »Nun sind wir alle froh, daß er uns entlassen hat. Er hätte uns noch alle umgebracht.«
Sie brauchten dem Schweden nicht lange folgen. Es war nichts als eine qualgeborene Selbsttäuschung Gustavs gewesen, daß er noch Entschlußfreiheit habe. Inzwischen meldeten alle Kundschafter, daß der ungeheure Wallenstein weiter nach Norden marschiere. Es war klar, er ging nach Sachsen, wollte nach den Untaten Holks den Kurfürsten knebeln, wollte ans Meer, die Schweden von ihrer Basis abschneiden.
Bei Donauwörth stand Gustav, krampfhaft erregt auf eine Tat aus, die ihn aus der Verstrickung löse, als ihn diese erschütternde Nachricht traf. Zwei warme sanfte Tage ruhte sein Heer in der bergigen Sommerlandschaft. Hier war Friede, kein Feind in der Nähe. In ein Wäldchen zog sich der König zurück, lag wie ein Kranker vor seinem geöffneten Zelt. Lautlos gingen in weitem Bogen um sein Zelt die Wachen; sie trugen die einheimischen braunen langen Röcke; sicher saßen auf ihren runden blonden Köpfen die hohen blauen rotgeränderten Mützen. Von Zeit zu Zeit schlichen Weiber flüsternd über das weiche Gras an sie heran; die schönen blonden Haare, Zöpfe bis zur Brust, märchenrote grelle Mützen aufgesetzt; kaum bewegten sie ihre faltigen blauen Röcke. Das war Schweden.
Der König wollte mit jemand sprechen. Der blanke kolossale Schädel Oxenstirns; Grubbe, sein Sekretär, mit stiller diskreter Miene. Gustav hatte sich aufgesetzt. Es sei kein Grund zu verzagen; was sie meinten. Als sie sich geäußert hatten, schwieg der große schwere Mann, dessen Gesicht bleigrau und schweißbedeckt war; er sagte in Scham, während der Kopf zwischen die Schultern einsank: »Die Sachsen sind ja nicht mehr mein. Was werden unsere Frauen sagen?« Auf ihre Berechnungen: »Ich bin zu groß daher gefahren. Es hat dem Herrn nicht gefallen. Ich war eitel. Ich habe seine Sache nicht rein erhalten. Wenn das Licht im Innern Finsternis ist – welch eine Finsternis! Niemand kann zwei Herren dienen. Schweden war mir alles. Jetzt kommen die Deutschen daher. Darum wollen sie mich vertreiben. Darum wird der Sachse und Pommer und Brandenburger nicht mehr bei mir halten. Hätt’ ich nicht dem Götzen gedient, wären sie bei mir geblieben. Wäre der Herr über mir geblieben. Mein Auge taugt nichts mehr. Darum ist der Pfälzer davongegangen.«
Sie blieben, während er grübelnd den Tag und die Nacht über mit sich rang, in seiner Nähe. Am nächsten Morgen war er heller, zog sich sein Kettenhemd an, gab Befehl zum Aufbruch, predigte selbst seinem Leibregiment über das Matthäuswort: »Häuft auch keine Schätze an auf Erden, wo Motten und Rost zerstören, wo Diebe einbrechen und stehlen; sammelt euch aber Schätze im Himmel.«
Die Herren erfuhren von ihm, der straff zwischen ihnen ritt: »Hochmut taugt nicht. Man muß sich nicht vermessen, alle Dinge meistern zu wollen. Wir werden eine klare Linie ziehen müssen zwischen dem, was erforderlich, und dem, was überflüssig und schädlich ist. Der Friedländer wird in Kürze von uns eine Bataille zu bestehen haben, die ihm zeigen wird, auf welcher Seite Gott steht. Noch müssen wir Gott erringen und auf unsere Seite zwingen. Gedenkt auch ihr daran,
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