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Wallenstein (German Edition)

Wallenstein (German Edition)

Titel: Wallenstein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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alles von Maximilian erfahren haben; wenn nicht heute, so morgen übermorgen würden die protestantischen Emissäre Lärm schlagen in Wien.
    Der Nachmittag mit Ungeduld verbracht, stundenlanges Beten und Bezwingen der Bitterkeit. Rasches Herabsteigen zu dem tiefgelegenen Sitzungssaal am Morgen. Ein Tisch mit zwei Schreibern in der Mitte, acht Herren standen von niedrigen Wandbänken auf; Eggenberg, wurde vom Schreiber verlesen, war erkrankt, daher nicht anwesend. Dann, während sich der Kaiser hutbedeckt auf den einsamen Stuhl an der Querwand unter das Kruzifix setzte, las Kaspar Frey, sein alter Geheimsekretär, schiefschultrig feingesichtig, zwei Briefe Maximilians vor, worin sich der Herzog nachhaltig und uneingeschränkt bereit erklärte, mit seinen und der Liga Streitkräften dem Kaiser in Böhmen zu Hilfe zu kommen. Ferdinand nahm das Wort, stark auf das Foliantenpack auf dem Tisch blickend, mit gewöhnlicher Stimme erklärend, daß er als Direktive für die Verhandlungen und Beschlüsse von Hofkammer und Geheimem Rat mitzuteilen hätte, daß er und sein Haus wünschen müßten, das Verhalten und Verdienst Maximilians in jenen gefährlichen Zeitläufen genugsam zu würdigen. Er habe sich daher entschlossen, die Gerechtigkeit nicht aufzuhalten. Nach bereits zurückliegender persönlicher Rücksprache mit Ihrer Liebden, dem bayrischen Herzog, glaube er den Weg gefunden zu haben zur allgemeinen Satisfaktion. Dem reichskundigen erklärten Ächter Friedrich von der Pfalz sei die Kurwürde und das Erbtruchsessenamt abzusprechen, die Würden nach Verdienst seinem Schwager, Ihrer Liebden, dem Herzog in Bayern, zu übertragen. Zum Ausgleich der entstandenen Kriegskosten, des Aufwandes und erfolgten Verlustes, und zur Auslösung des verpfändeten Landes ob der Enns sei es angemessen, Ihrer Liebden die Oberpfalz hypothekarisch zu überantworten und einzuräumen. Er dürfe verhoffen, so nach kaiserlichem Vermögen seinen Verbündeten saturiert zu haben, wegen der beständigen erzeigten Treue Liebe Affektion und hohen Dienste, die er mit Daransetzung der eigenen Person Land Leute Gut und Blut erwiesen habe. Die Herren hatten sich noch nicht gesetzt, da verließ Ferdinand, der sonst nie einer Beratung fernblieb, den Saal, ohne einen eines Wortes gewürdigt zu haben.
    Die Herren saßen verdutzt. Dann war es ein Entschluß des menschenkundigen alten Abtes Anton, der in Anbetracht der besonderen Umstände Aufhebung der Sitzung empfahl. In Questenberg war die Raserei so groß, daß er am Schreibertisch stehend einen Stuhl verkrampft in der Hand hielt; der Stuhl saß an seinem Handteller fest wie eine Schlange, die sich darein verbissen hatte; mit einem wütenden Ruck schleuderte er den Stuhl auf die Erde: »Und wissen die Herren, was dies ist? Das ist Krieg mit England, Dänemark, vielleicht mit Frankreich. Das ist Zerfall mit den Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg.« Leise vor Grimm zitternd der alte Harrach neben ihm über die leere Tischplatte gebeugt: »Es ist so. Ich habe es gesagt. Der Maximilian geht um. Wir können es nicht wehren.«

    IM RING seiner Mauern Wälle und Basteien lag Wien; Häuser, Türme, Kirchen gemauert an Häuser, Märkte, Gäßchen, überschwellend gegen die Donau, jenseits den Werd mit Steinen bedrückend, mit tastenden Fingern nach der Venedigerau, dem Rustschacher, den beiden weiten Galizinwiesen. Handwerkerfüllte Straßen, Plätze voller Fleischer Kaufbuden Reiter und Sänften Tamtamschläger Theriakausrufer. Brüllende Büttel hinter geschorenen Missetätern, die den schweren Schandstein am Hals schleppten; Badeknechte ins Hörnlein stoßend, türkische Becken schlagend. Aus Klöstern stießen Schwärme von Nonnen, schwarz und weiß, geschuht ungeschuht, traten lispelnd kranzwindend in die Kirchen, die weihrauchgeschwängerten Gänge, unter die Bilder der wilden Schmerzen, der Inbrunst und Verzückung. Seiltänzer und fahrende gelustige Fräulein kreuzten ihren Weg, lockten in die Holzschuppen auf dem Neuen Markt. Soldaten aus den Kriegen des Kaisers, die gegen Bethlen Gabor gefochten hatten, die Böhmen am Weißen Berg zerrieben hatten: wüste Prunkfedern in den Nacken zwischen den Schultern wallend oder nach vorn in die Stirn bis auf den Mund, grellbunte Schärpen, hohe Stiefelschäfte, weit überfallend mit farbigem Tuch ausgelegt. Kosaken mit breitem schmutzigem Gesicht in langen blauen Röcken, hohen Lammützen; ihre kleinen Augen blinkten vor Lust, sie gurrten mit ihren Weibern, die

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