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Wallenstein (German Edition)

Wallenstein (German Edition)

Titel: Wallenstein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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Marcheville, aber stieg das Blut vor Freude zu Kopf, als sein Agent ihm verängstigt den bedauerlichen Verlauf der Spazierfahrt schilderte. Er fuhr stolz bei Kremsmünster vor, bei dem Obersthofmeister, beim spanischen Gesandten, sprach voll Schmerz von seinem Hausnachbarn, dem Neuburger Pfalzgrafen, seinem wahrhaft väterlichen Freund, und wie dies möglich sei, was für ein entsetzlicher Vorfall das sei; er bitte dringend darum, daß von allen maßgebenden Stellen Nachforschungen angestellt würden; bei Oñate, dem Spanier, wagte er, freilich lachend, die Bemerkung hinzuwerfen, man müsse geradezu auf den Gedanken kommen, es hätte jemand Interesse daran, den alten freundlichen Herrn beiseite zu schaffen; ob nicht auch bei jenen durchgesickert sei aus den Kanzleien, der Herr betriebe hier Ansprüche auf die Pfälzer Kur, über die sonderbare Gerüchte verbreitet seien. Dem Abt Antonius wie dem Fürsten Eggenberg war die Angelegenheit um so peinlicher, als auch der Spanier sich nicht der entsetzlichen Vermutung entschlagen konnte, hier sei kurzer Prozeß gemacht, und es beklagte, daß das Ganze ziemlich ungeschickt angestellt sei von den bayrischen Herren. Denn er nahm als sicher an, daß Herr Doktor Leuker dahintersteckte. Abt Anton und Eggenberg aber fürchteten etwas viel Schlimmeres und waren glücklich, als alles den Herrn Leuker mit dem Vorfall in Verbindung brachte und nicht, wie sie, die völlig undurchdringliche Kaiserliche Majestät. Durch das wilde Herumposaunen des Franzosen sahen sie sich verhindert, den Vorfall zu vertuschen, wie sie gewillt waren; sie mußten vor aller Öffentlichkeit energische Maßnahmen zur Aufdeckung der Sache ergreifen.
    Mit größter Besorgnis setzten die hohen Herren die Sache mit allen Einzelheiten selbst ins Werk. Eine gründliche Visitierung der Sitze der Gatterklopfer und Fechtbrüder in ihren Hauptzechen, im Königsklosterhaus, in der Kotlucke, erfolgte. Die beiden Sterzermeister des Bezirks, in dem der Vorfall sich ereignete, wurden auf das städtische Rumorhaus geschleppt, ausgepeitscht und ihnen die gelinde Frage gestellt, wo sich der Pfalzgraf befinde; dies geschah sehr im geheimen; Kremsmünster war in Person zugegen, um sogleich alles vertuschen zu können, falls eine Allerhöchste Person dahinterstecke. Sie hatten im Narrenkotter hinter dem Hohen Markt bei völliger Nahrungsentziehung vierundzwanzig Stunden Zeit, weiter über die Frage nachzudenken. Die Befragung ergab nichts. Aber wie die wilden Wölfe fielen dann die beiden Freigelassenen in ihre Quartiere auf der hochgelegenen Laimgrube und an der Windmühle ein, sie plünderten mit einem handfesten Troß die Mirakelkeller, bunten Haushaltungen; aus den verfallenen Häusern, den Winkeln der Sackgassen sprangen vor ihnen die abenteuerlichen Schatzgräber im Vagantenkostüm, die braunbemalten Christianer, vergaßen ihre Kutten Stricke und Muschelhüte, die Pilgerstäbe warf man hinter ihnen drein, die plumpen ungefügen Schwangeren liefen wie Wiesel, verloren im Sprung ihre Bauchwülste. Eine verängstigte Besprechung der Zechen am Abend, nachdem ihnen unvermutet Ansengung des ganzen Bezirks angedroht war, hatte den Erfolg, daß man die Spuren der zwei Scholaren und des Weibes des Krampfkranken ermittelte; sie verrieten, der Fürst schwimme mit dem Anfallstäuscher und einem alten Weib die Donau herunter, fände sich aber alle zwei Tage, auch drei Tage in der Nähe des Quartiers; die beiden andern warteten auf eine Geldsumme, von wem wüßten sie nicht, auch nicht für welche Zwecke, ob als Lösegeld oder sonst wofür. Das Boot wurde am folgenden Tage schon von den unruhigen Leuten erwischt, wie es am Unteren Werd an einer wüsten Stelle nahe dem Judenquartier anlegen wollte; zwei Insassen, an Land gestiegen, machten Reißaus; auf einer Bootsbank, mit einem Ruder bewaffnet, saß der alte barhäuptige Pfalzgraf, mit halbnacktem Oberkörper, mit hohen Soldatenstiefeln, in polnischen Samthosen, drohte jeden niederzuschlagen, der sich ihm näherte, sprang dann zwischen dem Schilf am Hinterteil des Bootes ins Wasser, wurde gefaßt, ans Ufer gelegt. Die beiden Sterzermeister redeten ihm freundlich und ehrerbietig zu, er glaubte aber, jetzt erschlagen zu werden, hielt stammelnd die gefalteten Hände vor den Mund, die Augen krampfhaft geschlossen. Nach einer Stunde erst ritten eine Anzahl Herren an, dabei der Kanzler; er sah mit tiefer Bewegung den Zustand seines gnädigen Fürsten, seine Verstörung, das schwappende

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