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Wallenstein (German Edition)

Wallenstein (German Edition)

Titel: Wallenstein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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zogen Schinken und Brot hervor. Während die Bauern schmatzend den Dominikaner hießen, noch mehr Späße oder Frommes zu erzählen, schlichen die beiden Männer davon.
    Sie kamen in eine öde Gegend.
    Einen singenden Bettler fragte der Kaiser, während der andere zurückblieb, nach allerhand. Der Bettler führte den Kaiser, nahm, als sie einen kleinen Bergpfad erreicht hatten, Abschied, trabte singend weiter. Den Kopf gesenkt, zog Ferdinand des Wegs. Bäume traten auf, ratlos sah der Kaiser zwischen die Stämme. Er erwartete den anderen; wo die Höhle des Einsiedlers, des frommen Jeremias, sei, wußte er nicht. Sie setzten sich auf den Boden. Ein kleines Mädchen mit einem Körbchen kam an. Sie gingen ihr nach, eine Waldschneise hinauf. Sie lief über einen Steinhaufen. Als sie zurückkam, gab ihr der Kaiser eine Handvoll Heller; sie möchte dem frommen Jeremias sagen, ein armer Mann begehre zu ihm. Sie lief, und als sie wiederkam, meinte sie, der fromme Einsiedler hätte gesagt, er sei selbst ein armer Mann und brauche kein Geld. Ihren kleinen Kopf streichelte Ferdinand; sie möchte die Heller behalten; möchte sie doch noch einmal zu dem Einsiedler gehen; er begehre nach seinem Wort.
    Darauf erschien drüben hinter dem Steinhaufen barhäuptig ein schlanker jüngerer braunbärtiger Mann, der lange schweigend ihnen gegenüberstand. Er blinzelte eine geraume Zeit gegen das Licht, hatte eine schrecklich tiefe Blässe des mageren Gesichts. Die Steine rollten; leise fragte er, als sie herangekommen waren, unsicher zwischen beiden hin und her blickend, was sie wollten. Ferdinand stammelte etwas. Der Kammerdiener ging zurück.
    Und wie Ferdinand seinen versunkenen Blick zu dem Mann hob, war dessen rechtes Ohr und halbe Wange abgefressen; Stumpfe und Löcher, Geschwüre und Hautfetzen, tiefdunkelrot mit schmierigen Belägen; die Nase des Mannes fein, an einer Nüster angefressen. »Laßt nur«, winkte Ferdinand, als ihn der Einsiedler vor die stallartige Höhle geführt hatte, »ich will hier sitzen und Euch zusehen.« Der Einsiedler, nach einigen unschlüssigen Bewegungen, gab ihm einen Rosenkranz in die schlaffe Hand; Ferdinand setzte sich auf die bloße Erde, während ihm die Perlen entrollten. Mit trüben Augen, müdem Ausdruck stand der junge Einsiedler vor ihm, verschwand wortlos in dem Dunkel, aus dem bald ein leises, heftiger werdendes, wieder abschwellendes Gemurmel und Ächzen kam.
    Nach zwei Stunden trat der Diener an Ferdinand heran. Der Mönch schoß aus der Höhle hervor. Sie verabschiedeten sich. Voll Wehs suchte der Mönch die Augen des anderen, dessen Mienen sich nicht entspannt hatten. Er gab ihm den Rosenkranz mit, bekreuzigte sich hinter ihm, kniete betend an die Stelle hin, wo jener gesessen hatte.
    Der Kaiser kehrte langsam durch die Schneise zurück in den Wald.
    Plötzlich war mitten auf breitem Waldpfad ein starkes Flügelschlagen hinter ihm. Er schloß die Augen, blieb stehen, hielt den Kopf steif nach vorn.
    Flügelschläge, mächtige Flügel, Flügelpaare, die den Sand peitschten, wehenden Wind vor sich warfen. Er wurde fast nach vorn gehoben.
    Er erduldete es einige Sekunden. Zögernd schritt er weiter. Noch einmal gab es ein Wehen, Flügelschlagen von riesigen niedersausenden, sich steil aufstellenden Adlern hinter ihm. Ihm stand das Herz still.
    Wie er zehn Schritt weitergegangen war, sah sich sein völlig versteintes Gesicht nach dem Diener um. Der pendelte ruhig einige Male über den Weg. Arm in Arm ging er mit dem bestürzten Mann. »Das ist mehr, als ein Mensch ertragen kann.«

    DIE SCHWEDISCHEN Heere über das Reich verstreut. Oxenstirn hielt sie im Zaum. In Thüringen Wilhelm von Weimar, in Bremen Verden Leslie, in Magdeburg Lohausen, in Schlesien Oberst Duwall. Oberrheinischer kurrheinischer Kreis Georg von Lüneburg, Feldmarschall Horn Elsaß und schwäbischer Kreis. Geschleudert war in die Flanke Wallensteins, als er sich regte, der junge Fürst, der einmal Oberst von Gustavs Leibregiment zu Pferde war, Bernhard von Weimar, als Friedland ihnen den Rücken kehrte und glaubte, sie seien in Vergessenheit versunken. Wie die Kaiserlichen hinter den böhmischen Gebirgsmauern verschwanden, fingen die schwedischen Obersten, Offiziere und Gemeine an, deutsches Land zu schlucken. Von Bayern, der herrenlosen Kur, Würzburg, Bamberg wurden Stücke abgetrennt, ihnen als Rekompens zugeteilt; Schweden behielt sich die Oberherrlichkeit vor. Dem hochfahrenden Bernhard fiel aus Bamberg und Würzburg

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