Wallenstein (German Edition)
nicht darüber sprechen, auch von französischer Seite habe man dem Herzog das Königreich Böhmen angetragen, Sesima möchte sich im Hintergrund halten, der Herzog schwanke, man wisse nicht genau, womit er umgehe. Daß er dem Kaiser böse wolle wegen seiner Absetzung, sei sicher; es drehe sich nur darum, ihn, den Herzog, in die Zange zu bekommen, daß er sich nicht rühren könne, ihn aus seinen Zweifeln zu lösen. Die Stunde der Schilderhebung rücke näher. Sesima war über diese Neuigkeiten sehr beglückt, fragte, wie man denn den Herzog in die Zange kriegen werde. Das sei nicht einfach, meinte Kinsky, der ein schlauer eitler älterer Kavalier mit blassem bartlosem faltigem Gesicht war, es gehe darum – nun, dem Herzog zu helfen; Friedland schwanke, das müsse man ausnutzen, man muß es dahin bringen, daß die kaiserliche Sache für ihn ganz unannehmbar werde, dann gäbe es kein Besinnen mehr. Raschin merkte auf; staunend äußerte er, das sei aber ein hohes Spiel. Selbstgefällig Kinsky kichernd: was hohes Spiel; er sei in Paris zu Hause, in Fontainebleau ginge er aus und ein; beim Pater Joseph und dem großen Kardinal würde ganz anders gespielt, schlau, mutig und – gottlos. Darüber freute er sich sehr: gottlos, ja so seien die französischen Diplomaten, aber das sei die wahre, rechte, die einzige Schule. Und er gab dem Böhmen den Rat, sich nicht zu oft vor Wallenstein blicken zu lassen, am Hof zu bleiben, in Böhmen und Sachsen ruhig alles weiter zu betreiben, als werde der Herzog ihnen zufallen. Beim Abschied flüsterte Kinsky, die Augen aufreißend und drehend, er könne ihm noch nicht alles verraten, aber der Herzog sei ihnen sicher; »sucht Euch schon jetzt ein Stück aus Niederösterreich oder Steiermark aus; was haltet Ihr von Graz? Appetitlich, appetitlich, gelt?«
Kinsky, der ein Schloß in Teplitz besaß, verbannt war, zwischen Pirna und Paris vagierte, die französischen Verhandlungen Wallensteins führte, machte es sich zum Ehrgeiz, vor den Herren in Fontainebleau seine Sache zu einem glänzenden Abschluß zu bringen. Reich wie er war, steckte er sich die französischen Dukaten ohne Dank in die Tasche; seine Arbeit war mit nichts zu hoch bezahlt. Den Herzog vom Kaiser abbringen: eine famose Aufgabe, und dabei gar nicht schwer; er war nur ein Glückspilz, daß ihm das zugefallen war. In den Konventikeln der konspirierenden Edlen ließ er sich feiern; hin und her geschleudert war man von den Ereignissen; man rüstete, opferte für Waffen und heimliche Anwerbung große Summen; der Augenblick des großen Schlages rückte näher, der Bezwinger der Dänen und Schweden, Friedland, hatte ihre Sache zu seiner gemacht.
Als der Herzog Kinsky den sonderbaren Brief Slawatas gab, wonach dem Herzog von Wien Gefahr drohte – Wallenstein nickte finster: »vielleicht hat mein Vetter selbst etwas gegen mich vor« –, erwog Kinsky für sich: es wird schon etwas dran sein an dem, was sein alter Freund Slawata schrieb. Er kam, liebäugelnd mit seinen Gedanken, auf den genialen Einfall, mit dem Grafen Slawata, kaiserlichen Geheimen Rat, eine private Korrespondenz zu beginnen, ihre alte Bekanntschaft zu erneuern. »Ich treibe meine eigene Politik«, sagte er entzückt zu sich, als er den ersten schwadronierenden Brief nach Wien losließ, erklärte sich für einen besonderen Intimus des Generalissimus. Er gedachte Tropfen um Tropfen Gift in Slawatas Ohr zu träufeln, bis er den Herzog unmerklich so weit hatte, wie er wollte, und der Herzog gebunden wäre. »Wir werden sie kriegen«, seufzte er glückstrahlend, sich in seinem Klingenbeschlag spiegelnd, »wir werden sie kriegen. Die Herren an der Seine werfen sich zu sehr in die Brust. Es ist nicht nötig. Es ist überflüssig, meine Herren; habt nur etwas Geduld.« Laut sprechend erhob er sich von seinem Schreibkabinett, schneidender Ton in der Stimme: »Der Kardinal von Richelieu, Armand du Plessis, der Pater Joseph! Sieh da, wohlan, sieh da.«
In dem Augenblick, wo der Herzog seine Neigung offenbart hatte, mit den Widersachern in eine nicht genauer bestimmte Verbindung zu kommen, hatte es in seiner Umgebung zu wallen begonnen. Aus bloßen Dienern und Schleppenträgern wurden Akteure, die sich mit Röllchen und Röllchen nicht begnügten, Lust bekamen, sich zu emanzipieren und um sich Zirkel zu bilden. Man trat von außen an sie heran, lockte sie, das Geld lockte, die Eitelkeit lockte, der Wunsch, einander den Rang abzulaufen. Immer stieß der Friedländer mit
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