Wallenstein (German Edition)
Krieg, sie alle gepreßt, jahrelang gewalzt, verblichen der feine von ihr fast übersehene Friedrich, da weinte sie hysterisch, wollte stundenlang nicht weiterfahren, verlangte nach England, zu ihrem Bruder, dem König Karl. Sie wollte nichts wissen von diesem Deutschland. Auch Rusdorfs Herz war erbebt beim Anblick der dunklen Platte des sich hinschlängelnden stillen Neckars. Er besänftigte sie; erzählte, sich bezwingend, von den schönen Gemächern, die sie erwarteten. Mit Mühe konnte er sie später abbringen vom Jammern um die zerschossenen eingeäscherten Flügel des Schlosses. Er selbst, in Freude erweichend, lief über die Dörfer, setzte die Amtsleute ein, knüpfte alte Fäden. Schrieb an seinen alten leidenden Freund Pawel, der in den Niederlanden saß, lud ihn zu kommen, des Grams ein Ende zu machen; bald werde die Kurpfalz von allen Fremden befreit sein. Er lobte neckisch seine eigene Zähigkeit, die er mit der Art einer Bremse verglich.
Genau einen Monat nach seiner Rückkehr auf Heidelberg wurde er an der Tür seines Quartiers angenagelt gefunden. Er lebte noch, als man ihm unter furchtbaren Schmerzen die Nägel aus den Handtellern gezogen hatte; die aus den Füßen konnte man nicht herausreißen, sie waren durch die Knochen getrieben. Es war schwedische Arbeit, wie er sterbend angab; er bat, die Sache nicht zu verfolgen, sie sei aussichtslos. Pawel fand ihn nicht mehr lebend vor. Die Beisetzung seines Freundes übernahm er. Viele hohe Herren der rheinischen Kreise, auch fremde, waren zugegen; sie lobten den kleinen entschlossenen Mann, beklagten seinen überraschenden Tod. Die Gerüchte über die Todesart wurden unterdrückt.
Pawel bat sich die Tür aus, an der sein Freund gehangen hatte. Er überlegte lange, ob er der Kurfürstin und dem Administrator nachgeben sollte und Nachfolger Rusdorfs werden. In den Papieren Rusdorfs fand er dann Aufzeichnungen, aus denen hervorging, daß Rusdorf selbst es war, der ihn damals in Wien fast ermordet hatte, aus Scham und in Sorge um ihre Aufgabe. Aus Briefen mit einem Prädikanten, den der Tote eingeweiht hatte, ging hervor, daß er lange verfolgt war von dem wahnhaften Gedanken, Pawel wirklich ermordet zu haben, und dagegen Hilfe suchte.
Den Kopf senkend, erklärte sich Pawel bereit, an die Stelle des Toten zu treten.
DIE GERÜCHTE, daß der Herzog zu Friedland an der Spitze einer großen Armada plane, vom Kaiser abzufallen, überall verbreitet, erregten die böhmischen landflüchtigen Exulanten und die Unruhigen in Prag und auf dem Lande. Niemand verstand diesen Mann, der offenbar die Sachsen ins Land gelockt hatte, sie dann heraustrieb, mit Graf Thurn konspirierte, ihn gefangennahm, freiließ. Von dem Dresdener Komitee wurde Sesima Raschin, der schwarzhaarige Fanatiker, zum Herzog beordert. Er traf in Prag die wohlbekannte Situation an: das Heer ringsherum in Winterquartieren, im Hauptquartier scharfe Tätigkeit für neue Werbungen, Finanzpläne. Eine Anzahl neuer Gesichter in der Umgebung Friedlands; Schweden Franzosen Sachsen im Palast aus- und einkehrend.
Raschin wurde vorgelassen; mißtrauisch horchte ihn der Herzog aus. Er hatte geglaubt, der Kundschafter käme vom sächsischen Hofe; als er von Böhmen hörte, schimpfte er; ob wohl der alte Narr Thurn, das Großmaul, dahinter stecke. Wieder und wieder versicherte Sesima, daß im Lande alles vorbereitet sei, gespannt auf ihn warte, daß die Schweden ihm behilflich sein würden; man hätte gute Kunde von Bernhard von Weimar, daß er dem Herzog zu Friedland wohl vergönne, sich in den Besitz Böhmens zu setzen. »Ihr Schelme allesamt«, keifte Wallenstein, der nur aus einem Auge blickte; das andere, gichtisch entzündet, war mit schwarzem Tuch dick verbunden, »ihr haltet mich für eine Leiche, daß ich euch für alle Gaunereien gut genug dünke. Macht eure üblen gefährlichen Geschäfte allein; seid wohl schon tief im Morast, daß ich euch herausziehen soll.«
Sesimas Audienz war kurz; als er sogleich, schwer gekränkt und enttäuscht, abziehen wollte, wurde er vom Grafen Trzka und einem Grafen Kinsky am Arm gefaßt und im Schloß festgehalten. Sie erwiesen sich als orientiert über das Vorhaben Raschins, schienen auch genaue Kenntnis über die friedländischen Pläne zu haben, baten ihn, zu verweilen, sei alles im Fluß, es dränge dem Frieden zu, er möchte nicht Mißstimmung unter die Böhmen und nach Sachsen tragen. Graf Kinsky erzählte heimlich dem jungen aufhorchenden Böhmen, er möchte
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