Wallenstein (German Edition)
Franzosen will er sich verbinden; wir wollen ihm den Paß verbauen.«
Im Moment schlug die Stimmung des friedländischen Heeres in den Prager Quartieren um. Nach der ersten Verblüffung wirkte die Ankunft der fremden Regimenter wie eine Befreiung. Man hatte sie mißbrauchen wollen. Die Truppenkörper mischten sich; die neuen brachten unerhörte Nachrichten von dem Betrug, den man an den böhmischen verüben wollte. Wallenstein, der Gottseibeiuns und seine teuflische hochfahrende Sippe, der Nichtsnutz, der sich mästen wollte, Böhmen stehlen wollte, während sie in mageren Quartieren verkamen. Sie waren des Römischen Kaisers treue Soldaten; sie wollten ins Reich hinaus, sich ihre Beute holen; Gallas würde sie an den reichen Rhein führen, – die Franzosen, ei, die Franzosen – in das schöne Elsaß.
In das prunkvolle Friedländerhaus am Hradschin zog Piccolomini ein. Da erst befiel ein Grauen die Stadt. Die Straßen leerten sich. Jeder versteckte, verschleppte, vergrub seine Kostbarkeiten. In jedem Viertel wurden die Gewölbe geschlossen, verbarrikadiert, ein großer Teil der wertvollsten Sachen nahe der Moldau nachts in Kästen vergraben. Die Juden bewaffneten sich. Keiner von den eingedrungenen Offizieren bemerkte, was in der Stadt vorging. Der Adel beriet hinter verschlossenen Türen in allen Teilen der Stadt und auf den nahegelegenen Gütern. Alle waren sicher: man hatte hinter Wallenstein zu stehen. Heimlich wurden die jungen Bauernburschen und Bürgersöhne, die sich bereit erklärt hatten, einem Zeichen zu folgen, alarmiert; man verteilte Geld und Waffen, gab Losungsworte aus. Eine Riesensumme wurde genannt als Preis für den Kopf des Grafen Wilhelm Slawata; eine instinktive Wut bezeichnete allgemein den schönen Grafen als Hauptschuldigen an der erschreckenden Wendung; er war seit Wochen abwesend, jetzt hatte er sein Ziel erreicht. Von der uralten Gräfin Trzka erzählte man sich, sie sei auf die Kunde von dem Handstreich des Italieners nach Prag gekommen und hätte Dutzende von goldenen Ketten mitgebracht für den, der den Italiener ermorde. Überall lagen plötzlich Waffen, die aus dem Land hereingeschmuggelt wurden.
Während dieser stummen Tage fuhr auch eine unscheinbare Judengesellschaft auf einigen Wagen aus Prag ab. Adlige der Landschaft machten ihnen selbst durch Pässe und Salvegarden den Weg frei. Sie mußten ihnen schwören, der friedländischen und böhmischen Sache hold zu bleiben. Da standen die trauernden Gesellen mit den gelben Zeichen am Mantel in der Kammer der Herren; ihr Herz war, seit Wallenstein lebte, mit ihm. Sie schworen, das kleine schwarze Mützlein aufgesetzt, die rechte Hand bis an den Knorren auf der Bibel beim dritten Gebot, verflucht auf ewig zu sein vor ihrem Gott Adonai, vom Feuer verzehrt zu werden, das auf Sodom und Gomorrha fiel, wenn sie Untreue und Falsche brauchten. Der wahre Gott, der Laub und Gras und alle Dinge schuf, solle ihnen nimmer zu Hilfe kommen. Sie fuhren erst nach Norden, als ob sie auf den Markt von Brandeis fahren wollten, dann wandten sie sich nach Südwesten. Einige jüngere aus den Juden nahmen dann bei Brandeis Pferde, hetzten auf Pilsen zu.
Die Kuriere aus Prag mit ihrer freudevollen Meldung der Einnahme der Stadt fanden einen totenstillen Hof. Der Kaiser verschwunden. Seine Leibdiener in Eisen geworfen. Kein Anhalt über seinen Verbleib. Von der Kaiserin erfuhr man nichts. Sie, die in einer schweren dunklen Erregtheit nach ihm forschte, wurde nicht aufgeklärt; man versuchte sie zu beruhigen mit der Erklärung, der Kaiser fürchte in diesen Tagen in Wien zu bleiben; man hätte ihm empfohlen, sich ohne Aufsehen bei den Truppen des Marradas zu bewegen. Die leidenschaftlich auffahrende, brüsk sogar mit den Priestern umspringende Erscheinung der Mantuanerin war in diesen schreckensreichen Tagen dem hohen Rat der furchtbarste Anblick. Lamormain konnte sich nicht von ihrer Seite bewegen. Sie malträtierte ihn, forschte aus, was er von Ferdinand wußte. Der Pater suchte vergeblich sie zum Beten Beichten und zur Ruhe zu bringen. Das Flüstern Schreien Weinen Seufzen auf ihren Zimmern nahm kein Ende.
Eggenberg kam nicht mehr hervor aus seiner Wohnung; er fürchtete die Begegnung mit der Kaiserin; in einer dumpfen Geschlagenheit hockte er zu Hause. Kein Besuch durfte zu ihm. Über seinen Kopf stürzte alles zusammen.
Allein von den herumwandernden Vätern der Jesukompagnie wurde die freudevolle Prager Nachricht herumgetragen, und um sie herum
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