Wallenstein (German Edition)
in die Spießklingen eingetragen der kaiserliche Wahlspruch: Legitime certantibus. Türhüter Pagen eröffneten den feierlichen Kirchgang, Kammerherren mit hohen Namen folgten blickesenkend; hinter seinem Obersthofmeister, dem weißen Grafen von Meggau, ging mit lahmen Füßen in einem scharlachroten Kleid Ferdinand, Diamanten an dem Hute, Diamanten am langen schmalen Degen. Schwingende Bronzeglocken der Schloßkapelle. Sie gingen schweigend von Kammer zu Kammer, durch das dichte, sich immer mehr verengernde Spalier. Aus allen Gängen und Seitengemächern quollen goldtressige duftende Herren, blonde und greise; italienische Gesichter und deutsche breite Schultern, Soldatenmienen, Schreiberblässe, schwarze Jesuiten, fremde Herren in polnischen Mützen, siebenbürgische Gesandte. Die Zimmer hoben sich mit hohen Decken; weißer üppiger Stuck war darüber geworfen, in vielen Gemächern lagen die Balken oben grad nebeneinander dunkel von Beize, in neuen gossen sich Bilder über die Flächen, vielfarbig, jäh nach Troja entführend, in die Liebesabenteuer Jupiters; dann tauchten Gewölbe, Kreuzgänge auf, und das Scharren der seidenen Jacken, das Schleifen der Sohlen, das Klingeln der goldenen und silbernen Behänge wurde in Hall und Widerhall von den schweren Mauern begrüßt, murrend angesprochen.
Über breite Marmortreppen senkten sie sich herunter in eine kurze Tannenallee; weiß und golden am Ende die Kapelle. Gewaltige Glockenschläge. Missa solemnis. Die erzbeschlagenen Türen.
TRIUMPHIEREND SCHLURRTE der Kaiser neben der ihn überschattenden Gestalt Lamormains durch den blühenden Garten seines Schlosses Schönbrunn. Den rotbefrackten Narren Jonas hatte er fortgejagt in die Brunnenstube. Pfauen spazierten auf den kiesbestreuten Wegen. Durch die warme, dicke Luft schwammen Häherschreie; es sangen unsichtbare Vögel auf den Ästen; mit langen Melodien sprachen sie sich an, die Melodien endeten fast immer mit einem rauhen, tonlosen: Ze kirrh, zekrütt rrr – öh, bisweilen brachen sie in der Mitte ab, standen still, wartend; dann kam nach einer immer bestimmten Pause die leicht modulierte Antwort; schließlich gab es ein Schwirren in den Blättern, die Vögel flogen fort; an einer andern Stelle fing es an in der hin und her wandernden Süße, die Töne beugend und verschlingend, als wäre ein Drahtarbeiter Netzflechter am Werk, der den Eisenfaden rasch hin und her zieht, im Nu Körbchen neben Körbchen hinsetzt. Die Koppeln der französischen Hunde schlugen von Zeit zu Zeit in der Nähe an. Die Bäume standen in vollem Grün hinter dem mauerumzogenen Schloß; dick gebläht und breit hockte das Laubwerk auf den mächtigen verwurzelten Stämmen, wiegte sich oben wie eine geplusterte Henne nach allen Seiten. Unten stand und ging der kurzatmige Habsburger, wich der grellen Sonne aus, gestikulierte mit dem goldknopfigen Rohrstöckchen.
»Sie haben mir die Verantwortung abgenommen. Sie haben, was jetzt kommt, Kriege mit der ganzen Welt, Niederlagen, Verlust des Vermögens, Vertreibung von Krone und Land, selbst und allein zu verantworten.«
»Allergnädigster Herr, was hätte man tun sollen?«
»Sie hätten mich beseitigen müssen. Was anders wäre ihre Pflicht gewesen. Sie hätten mich beseitigen müssen. Sie haben es nicht getan. Die Schuld haben sie auf sich geladen.« Er sprach mit Haß und Inbrunst: »Mögen die Dänen, die Franzosen, Engländer, Schweden das Reich, die Erbkönigreiche von Grund aus verwüsten. Herzhaft, herzhaft. Das Reich auflösen und hinlegen. Mag es auf sie fallen, die geduldet haben, daß Maximilian den Pfälzer von der Scholle vertrieb, daß er jetzt die Kur an sich nimmt. Sie lassen es zu, sie billigen es, sie fallen ihm nicht in die Zügel. Mag das Unglück ihr Begleiter sein! Mögen die Länder zerfallen, die Grenzen überschwemmt und zerfressen werden, die Städte leer, gebrandschatzt, die Klöster verbrannt, Bauern in Aufruhr – nichts als die Haut über den Knochen, Seuchen im Blut. Das soll ihr Lohn sein, daß sie Maximilian haben gewähren lassen und mich nicht beseitigt haben.«
Lamormain besah sein schäumendes Beichtkind mit Kälte: »Hört Ihr die Vöglein? Sprechen sie miteinander? Und wenn das armselige Getier seine Zunge und Kehle gebraucht, warum habt Ihr es, allergnädigster Herr, nicht getan? Ihr hättet hingehen sollen zu ihm.«
Ferdinand hörte nicht zu: »Sie, haha, sie alle, die Säulen meines Hauses, meine Brüder, meine Kinder, meine Generäle, meine Räte,
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