Wallenstein (German Edition)
die Seide dunkel wurde; die blanke Nase schien gedunsen, die Augen waren schwer beweglich, stumpf, als wenn sie nicht rollen könnten auf ihrer Rundung, der weiche Schlemmermund stand offen; hilflos, ohne Ton kam es hervor: »Was soll ich tun?«
»Kommt. Ein paar Schritt, kommt.«
Lamormain hinkte zurück gegen die Tür. In einer Nische stand ein hölzerner Aufbau, mit schwerem schwarzem Tuch behängt, ein Beichtstuhl. Der Priester öffnete; als der andere vor der Tür zögerte, zog er ihn an der Hand herein; der Vorhang bedeckte sie. Lamormain hauchte: »Allergnädigster Herr, beichtet.«
Als aber der Kaiser hinkniete in der völlig verfinsterten Enge, flüsterte Lamormain über ihm: »Bleibt knien. Bleibt. Macht Euch fertig. Nun will ich Euch töten. Steht nicht auf. Es muß sein. Ihr habt es selbst gesagt und empfunden: man muß Euch beseitigen.«
Der Kaiser suchte sich stöhnend und klagend zu erheben. Lamormain rührte ihn nicht an, auf seine Worte sank der andre immer wieder hin: »Euer ältester Sohn wird wissen, warum Ihr gestorben seid. Ihr seid reif. Ihr seid ohnmächtig, von Haß geschwollen. Ihr wißt es selbst. Ihr wißt keinen Ausweg, und ich weiß keinen. Wollet mit mir beten, damit Ihr nicht verloren seid.«
Der andre stammelte durcheinander entsetzt: »Ja. Ich muß beten. Ich bin bereit. Wer seid Ihr? Lamormain, wer seid Ihr? Hilfe.«
»Es ist Hilfe. Fangt an zu beten.«
»Hilfe. Wie soll ich beten?«
»So öffnet Eure Brust. Macht Euren Hals frei.«
Er tastete nach dem Kragen des Kaisers.
»Laßt; befleckt Euch nicht an mir. Ich tu’ es selbst.«
Er winselte: »Es ist das beste; ich weiß es, ich muß Euch dankbar sein. Mein Heiland.«
Er hatte sich die Jacke aufgerissen. Die Brust halb offen umklammerte er die Knie des Paters: »Wer seid Ihr?«
Lamormain streifte ihn von sich ab, er richtete sich gleichgültig auf: »Laßt sein, allergnädigster Herr. Steht auf. Ja, gewiß, steht auf.«
Verzweifelt drückte der Kaiser seine Hand an den Mund: »Was ist, Lamormain? Was habt Ihr mit mir vor?«
»Sollte es sein, daß Ihr noch den Wunsch habt, zu leben?«
»Weh mir.«
DURCH DIE nördlichen Tore Wiens rollten die Wagen mit den Gefangenen, in kleinen Trupps liefen sie gebunden hinter Reitern. Dann Lafetten Kartaunen Feldstücke von vielen hundert Gäulen geschleppt. Abordnungen trafen ein von den Regimentern, die sich bei Höchst Wimpfen Lorbeeren erworben hatten.
Die Logis der großen Stadt waren gestopft mit Offizieren Söldnern Beamten Gesindel Troßbuben Dirnen. Vier Tage dauerte die Siegesfeier, deren dröhnende Reden Europa erschreckten. Neben dem regierenden Habsburger saß auf der Schrannenstiege unter dem roten Baldachin sein hitziger Bruder, Leopold, der aus Innsbruck hergereist war und Wien nicht mehr verließ, Leopold, der von einer abenteuerlichen kriegerischen Korona umgeben war und mit seinen gewagten politischen Kombinationen alle Höfe und Gesandten mißtrauisch machte. Dem prangenden Vorbeizug der Gefangenen Kanonen Wagen Fahnen und Standarten wohnten auf dem Hohen Markte in ihrer Karosse auch die beiden dänischen Geschäftsträger bei, die Herren Heinrich Rantzau auf Schmol und Julius Adolf von Witersheim, die einen drohenden Ton angeschlagen hatten; sie empfingen auf den Ämtern freundliche Worte. Was sie auf dem Hohen Markt sahen, war andres Register; sie hatten es eilig, abzureisen.
Es war inzwischen bekanntgeworden, daß sich wichtige Ereignisse am Kaiserhof vorbereiteten, bei denen sie nicht stören wollten. Bestimmter verlautete, der Römische Kaiser wolle freien. Bediente der Häuser Eggenberg und Trautmannsdorf berichteten von auffälligen Reisevorbereitungen ihrer Herren, von Kurieren, die zwischen Wien und einer oberitalienischen Stadt liefen.
In der halbfertigen Kaisergruft des Kapuzinerklosters, für deren Kapelle die Gemahlin des toten Kaisers Matthias ihr Silbergeschirr und ihre Gemälde hingegeben hatte, in dem langen düsteren Gewölbe hinter dem Neuen Markt diktierte noch während der Siegesfeierlichkeiten Ferdinand sein Testament. Der feine Abt von Kremsmünster war für die Mittagsstunde in die Gruftkapelle bestellt mit seinem Geheimschreiber. Unmittelbar vom Quintanrennen in klirrender schwarzer Turniertracht, die Sturmhaube in der Hand, stieg Ferdinand mit seinem Gespenst, dem Grafen Paar, den er an sich gelockt hatte, über Balken und Steine zu dem Abt her. Die Baugrube war nicht geschlossen; von oben seitlich fiel ein scharfes Bündel Licht
Weitere Kostenlose Bücher