Wallenstein (German Edition)
Stadt, wartete auf einem Schimmel mit den Schlüsseln Wiens, hinter ihm der Stadtrichter Paul Wiedemann, sein Beisitzer; mit silbernen Stäben auf ihren Pferden die Stadträte, die Scharen der Stadtschreiber Stadtkämmerer Unterkämmerer Spittelmeister Brückenmeister Mautner Kirchenmeister Steuermeister Viertelmeister, verstaubt und hochglühend von dem heißen Sturm. Unter dem Baldachin, den sechs Stadträte trugen, bei wogendem Glockenjubel schob man sich, von Scharen windlichttragender Knaben geführt, an das Sankt Stephanstor, wo Botschafter und Universität sprachen; Tedeum im Dom, Segensspruch Verospis, des Nuntius.
Und in den Gängen, durch die Säle und Höfe der stolzen Burg bewegte sich bald neben einem verschwiegenen verschlafenen Kaiser eine verwirrte fremdblickende Kaiserin.
Auf das prächtigste wirtschaftete Erzherzog Leopold; mit Theater Maskeraden Banketten Karussells vergnügte er den Hof; Kaiser und Kaiserin waren dankbar. Eggenberg und Lamormain beglückwünschten ihn zu seinen Erfolgen; frisch wie er war, ließ er sich von ihnen im Reiten, Schmausen, Jagen in die schwebenden Angelegenheiten einweihen.
Der Kaiser wurde nach einigen Wochen von einer unvermuteten Neugier nach seiner Gemahlin, der jungen fremdartigen Fürstin, die fromm und reserviert unter ihren Damen ging, ergriffen. Als die Obersthofmeisterin der Kaiserin, Gräfin Portia, Leopold davon berichtete, drängte er den Kaiser zu einem Aufenthalt in Schönbrunn. In Schönbrunn schlug die Neugier des Kaisers in heftiges besinnungsloses Entzücken um, das Eleonore mit Verwunderung und Unruhe entgegennahm. Unter Lamormains Mitwirkung wurde ihr ein Beichtvater bestimmt.
VON DEM schwerkranken Papst Gregor dem Fünfzehnten empfing Verospi, der Nuntius, ein nachdenklicher wissenschaftlicher Mann, ein Breve, worin der Römische Kaiser ermahnt wurde, mit der Übertragung der siebenten Kurwürde an den Herzog in Bayern nunmehr nicht länger zu zögern. Er hatte nicht viel Glück bei den Räten, machte sie nervös mit seinen Erörterungen, seinem langweiligen wortlosen Herumstehen; Verospi vergaß bei Gesprächspausen gern, wo er war, erinnerte sich theologischer Probleme; aus seinem Nachsinnen aufgestört, fing er von vorn an.
Hyacinth von Casale, ein Kapuziner, erschien nach ihm; er setzte nur durch, daß der Abt Anton ihm Empfehlungen nach Madrid mitgab; der Kaiser könnte nicht, sagte Anton, ohne Zustimmung Spaniens handeln. So wanderte der Kapuziner nach Madrid, während Oñate, der elastische leidenschaftliche Gesandte Philipps in Wien, erregt auf allen Ämtern gegen die päpstlichen und bayrischen Absichten kämpfte, schreiend: dahinter stecke die Absicht, das Haus Habsburg zu schwächen, wenn man den listigen, kriegerischen Führer der Liga in das Kurfürstenkolleg einführe. Hätte man vergessen, wie sich Maximilian früher gesträubt habe, einem Habsburger Einfluß auf die Liga zu geben, ja nur gleichberechtigt ihn ins Direktorium aufzunehmen, aus keinem andern Grunde, als weil die Liga das Kampfinstrument Maximilians gegen den Kaiser sei? Hätte man das vergessen? Der Wittelsbacher sei schlau, verschlagen, kühn und ehrgeizig; da er nicht hätte Kaiser sein können, suche er der Kaisermacht Abtrag zu tun, risse die deutschen Fürsten an sich unter dem Vorwand des gemeinsamen Schutzes gegen äußere Feinde, wüßte nur einen Feind, in Wien. Eins, zwei, drei, so ist es klar. Und jetzt werde er versuchen, die Kurfürsten an sich zu ziehen! Oñate war ein hitziger ehrlicher Anhänger seines Königs, verstand nichts als Spanien; die Räte lächelten und ehrten ihn.
Denn der Abt Anton wie Trautmannsdorf hatten mit ihrem Zögern nur vor, den bayrischen Herzog zu erproben; sie wollten sehen, wie weit er gehen würde, ihm in jedem Fall nachgeben. Sie wollten ihn die Größe des Geschenks fühlen lassen.
Als eines Tages hintereinander der trottelige Verospi und der biedere massive bayrische Rat Leuker beim Abt Anton vorgesprochen hatten – der kleine Trautmannsdorf saß stumm, als ginge es ihn nichts an, auf breitem teppichgetragenem Sessel neben ihm in der dunklen Bibliothek, blies sich über den Handrücken –, seufzte Anton tief auf. Trautmannsdorf nahm von nichts Notiz. Der Abt hob sein Käppchen ab, wischte sich die Tonsur, bat: »Herr Trautmannsdorf.«
Der sah auf.
»Denkt Euch, es ist noch ein Schreiben von der spanischen Majestät eingelaufen.«
»Ja, Ehrwürden.«
»Mein Freund, der Kapuziner Hyacinth von Casale, dieser
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