Wallenstein (German Edition)
wird doch nicht Gegensätze machen, wo man gruppieren kann. Maximilian ist fromm, – aber schwerhörig. Ihr habt die Schwerhörigkeit nicht in Eure Rechnung eingestellt. Steht ein Stier da und hat zwei Hörner, senkt den Kopf und will mich spießen, so hilft mir keine Anrede, keine Ermahnung, Verwarnung, Belehrung; der Stier hört nicht; ich bin nicht heilig genug wie Franziskus von Assisi, um mich mit dem Tier zu verständigen. Ich werde also dem Stier recht geben; ich werde ihm aus dem Wege gehen. Und dem Bayernherzog werden wir die Tür zum Kurfürstenkolleg öffnen.«
»Tut es, tut es, bald.«
»Wir müssen, Trautmannsdorf, wir müssen. Ich kann mich mit dem gehörnten Stier nicht unterhalten. Er hört nicht.«
IN FEIERLICHSTER Weise, in Gegenwart der gesamten Doktoren- und Edlenbank des Hofgerichts, des Reichshofrats, der Hofkammer, eröffnete, beauftragt von der kaiserlichen Majestät, im langgestreckten Sitzungssaal der Abt Anton von Kremsmünster dem vorgeladenen Vertreter des bayrischen Herzogs, dem stillstehenden Koloß Jesaias Leuker, er, der graziöse gütige Mann, der, während er las, nach rechts und links die an der Wand sitzenden Herren mit sonderbaren abwesenden Blicken grüßte, mit der linken Hand an den violetten Gürtelfransen spielend, daß sich die Hofkammer allein und an sich nicht kompetent erachte, auch die kaiserliche Person allein und an sich nicht vermöge, den geringsten Bescheid, ja auch nur Auskunft in Sachen der dem Pfälzer aberkannten Kur zu erteilen. Vielmehr bleibe alles dies in der Schwebe nach den beschworenen Grundgesetzen des Heiligen Römischen Reiches, und nur die harmonische Zusammenwirkung von kaiserlicher Person mit dem gebietenden ehrsamen Kurkollegium sei befugt und erachte sich bevollmächtigt, ernannt und berufen, die Frage des pfälzischen Vermächtnisses, schwerwiegender Gewalt, von sich aus zu beantworten und gültig zu lösen. Es sei daher zu beschreiten als einzig vorgesehener und allseitig innezuhaltender Weg und Straße die Einberufung einer Deputation auf einen festzusetzenden Tag, zu welchem Ladung erfolgen werde durch des Reiches Erzkanzler, des Kurfürsten Erzbischofs Durchlaucht von Mainz, Johann, an beschließende hohe Instanzen und an alle sonst, die es angeht.
Nach welcher festlichen Bekundung und formellem Akt sich der das Präsidium führende Abt nebst Sekretär und Protokollant entfernte, die übrigen Herren sich in stürmischem Erstaunen untereinandermischten. Vornehmlich der völlig vor den Kopf gestoßene Bayer vermochte sich nicht zu beruhigen. Denn diese seriöse Entladung des hohen Hofkammergerichts erfolgte auf ein Angehen, das gar nicht bestand. Gar nicht war ja offiziell Herr Abt Anton, dieser liebenswürdige Pfiffikus, um Entscheidung oder nur Auskunft in Sachen Kurpfalz gebeten worden; nach allen Seiten hin beteuerte Leuker, bald seinen Gnadenpfennig malträtierend, bald seinen Degen, der gegen sein krankes Bein schlug, wegschleudernd, daß er gänzlich ahnungslos sei, daß vielleicht eine unmaßgebliche, vielleicht mißgünstige Person über seinen Kopf weg vorgegangen sei und diese Peinlichkeit heraufbeschworen habe. »Peinlichkeit, Peinlichkeit«, rief er jedem zu, der in seinen Gesprächskreis trat; man möge nicht schlecht und in falscher Richtung argumentieren; »ja, was ist das, was ist das?« und zeigte sich so konsterniert, wie er wirklich war. Er wußte auch nicht, wohin mit sich in diesem Augenblick; einen Moment raste er im Raum herum, redete den an, beschwor jenen, es werde doch nichts Eigenmächtiges von Bayern in dieser Sache geplant, es liege alles in der Waage der Gerechtigkeit, des ehrsamen Kurkollegiums und so weiter; im nächsten Moment drängte er nach der Tür, um Hals über Kopf Kuriere nach München zu schicken von dieser nicht auszudenkenden Bloßstellung oder über den kleinen Abt herzufallen, ihn büßen zu lassen für diesen Affront; denn was bedeutete das nur! Triumphierend standen zwei Doktoren mit einmal ihm gegenüber, im Talar, mit großen Brillen, Herren, deren bezahlte Freundschaft mit dem Kanzler des Pfalzgrafen Philipp von Pfalz-Neuburg bekannt und berüchtigt war; sie erklärten ihm, es sei gar kein Grund vorhanden für ihn, sich beschuldigt zu fühlen, sich reinigen zu müssen; sie seien mehrfach sehr entschieden für das legitime Recht, beruhend auf Verwandtschaft, gegen Macht, beruhend auf Siegen, in Sache der Kurvergebung eingetreten. Was sei nur geschehen? Maximilian habe mitsiegen helfen
Weitere Kostenlose Bücher