Wallenstein (German Edition)
zum Grafen Thurn. Auf ihn setzten sie Hoffnungen. Man arbeitete, um zu zeigen, wer man sei. Die Heimat mußte befreit werden. Jach sprossen die frommen Triebe wieder auf. Glaubenseifer und Glaubensstolz, finster gefärbt, erhob sich, grollte drohend in den Straßen, in den Kirchen; man war das Volk des Johann Huß. Die Bibel war verwandelt; jetzt keine Läuterung, keine Seelenreinigung mehr. In den Kisten, Truhen war das Buch wie unter einer eisernen Presse steinhart geworden, feierte seine Auferstehung als Rüstzeug Waffe Schwert. Soldaten wurden sie. Der sächsische Kurfürst, der Brandenburger Georg Wilhelm hörten es gern.
Über ihre Heimat, über das Erzgebirge, spannten sie sich wie eine furchtbare Wolkenbank, die sich von Jahr zu Jahr schwärzer färbte.
IN BÖHMEN hieß es Gelder beschaffen, die Truppen aus dem böhmischen Feldzug abzudanken, das Besatzungsheer zu erhalten, die ungarischen Grenzstädte gegen die Türken zu armieren verproviantieren, verdienten Generalen hohen Beamten Gnadengeschenke zu machen. Der Ertrag aus den konfiszierten Rebellengütern reichte nicht, der aus der Schuldenkommission war zu gering.
Eine Prager Mark galt neunzehn Gulden. Im Braus hatte der schöne Pfalzgraf gelebt, auf Bällen Jagden Schlittenfahrten hatte sich seine üppige Gemahlin getummelt und mit dem Volke gemein gemacht. Nach dem verjubelten Winter steigerten die pfälzischen und böhmischen Räte den Wert der Mark. Der Sieger gab ihm nicht nach; als der Kaiser kam, preßte er den Böhmen das Gebiß zwischen die Zähne, daß eine Mark siebenundzwanzig Gulden betrug. Der Gouverneur Liechtenstein ließ das gute Geld aus dem Lande schleppen.
Der Sohn eines serbischen Fleischhauers, Paul Michna, war Sekretär in der böhmischen Hofkanzlei geworden. Dieser warf sich mit einer Rotte Helfershelfer nach der Prager Schlacht auf das Pferd. Sie ritten in das Land hinaus; allmählich vergrößerte sich der Zug, Wagen schlossen sich an. Sie drangen auf die Güter und Herrschaften der Rebellen, brachen die Tore der Schlösser und Sommerhäuser mit amtlichem Gebaren, Siegeln, Drohungen auf, beschlagnahmten, was sich an beweglicher Habe fand. Während panikartig das Grauen von der verlorenen Schlacht, dem drohenden Hochgericht die Dörfer belief, die Städte lähmte, alles sich zusammenzog, tauchte Michna mit seiner Bande erschreckend, unverständlich, bald hier, bald da auf. Die zurückgelassenen Frauen, die betäubte Dienerschaft lieferte ihnen aus, was sie verlangten. Leiterwagen mit Stroh fuhren, von Ochsen gezogen, in einiger Entfernung hinter den Berittenen; toll hinein stülpten, stauchten sie, was sie erhaschten, übereinander, ohne Schutz Prunkkästen Stollenschränkchen silberne Spiegel Perlenketten Ölbilder flämischer, Florentiner Meister Pelzwerk Geschirr Kristall Seidengewänder. Sie fuhren so rasch, weil das Gerücht sich bald verbreitete. So daß man, wie den Fuchs an seiner grauen Losung, ihren Weg erkennen konnte an abgerollten Kruzifixen, Splittern der Deckelpokale, Nautilusbecher, den zerdrückten und weggeworfenen am Wegrand liegenden Kredenzstücken Silberplatten Konfektschalen. Wer hinter ihnen suchte, konnte reich werden; aber niemand bedachte Silber und Tafelgerät; alles verrammelte sich.
Rasch war in Spelunken und Gewölben der Juden verschwunden, was eben unerhört strohgelagert über die Chausseen gewackelt war. Die Topase Brillanten Rubine in Ringen und Halsschnüren legte ein alter Jude liebkosend sich über die braune faltige Haut, ließ sie sanft in seine eingemauerte Eisenkiste sinken über wattierte Wämser. Während die böhmische Gräfin schluchzend mit ihren Dienerinnen die aufgebrochenen Holzwände der Schränke anstarrte, krochen die grünen Roben, von kundigen Fingern gezogen, über die fetten Formen eines orientalischen Leibes; die gerafften gürtelgehaltenen Gewänder rauschten, wie bei den Bällen der Königin Elisabeth hintennach, über den Synagogenweg. Wieder lachten Weiber in diesen Gewändern herzlich und voller Inbrunst, vor andern gewaltigen Männern. Die Greise vorn auf den Bänken in den Tempeln sahen sich um, sangen im Talare von der Zerstörung Jerusalems, von Jehovas Rache, weinten über die Vergänglichkeit.
Draußen fuhr man auf Karren Rebellen, frisch eingefangen, trotzige Ketzer zur Folter, Arkebusiere stolzierten vor den Häusern, Menschenfleisch wurde billig, verdarb auf Wiesen. Indessen waren die gestohlenen Juwelen gut aufgehoben. Deutsche Flamen Italiener
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