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Wallentin, Jan

Wallentin, Jan

Titel: Wallentin, Jan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strindbergs Stern
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der Explosion im Treppenhaus nicht wahrgenommen.
Doch der alles zerreißende Donner aus der Krypta verschlug ihm vollständig den
Atem.
    Er hatte
sich instinktiv zusammengerollt, um sich vor der Ladung aus Steinsplittern und
Sprengstofffetzen zu schützen, die durch die Druckwelle umhergeschleudert
wurden. Später, als die apathische Starre nachzulassen begann, erahnte er in
der Ferne Martinshörner.
    Er wollte
nur zu gerne glauben, dass es sich um einen Instinkt aus seiner Zeit als Arzt
handelte, der ihn dazu bewogen hatte, die steile Treppe hinunterzusteigen und
sich in die Rauchwolke hineinzubegeben. Aber er hatte sich nicht um die beiden
entstellten Körper gekümmert, die einmal uniformierte Männer gewesen waren.
    In seiner
Erinnerung standen ihm noch die roten Kleiderfetzen vor Augen, die offensichtlich
aus dem Abendkleid der jungen Frau gerissen worden waren. Sie lag leichenblass
mit Blut aus dem Ohr tropfend da, während eine ihrer Hände sich in Todesangst
um das Treppengeländer klammerte. Wenn überhaupt, hätte er zumindest bei ihr
bleiben müssen, um ihr zu helfen.
    Stattdessen
war er auf wackligen Beinen weiter in die Krypta hineingewankt, wo es stark
nach verbranntem Fleisch roch. In dem gelben Nebel aus pulverisierten
Ziegelsteinen hatte er kaum etwas sehen können, so dass er sich schließlich kriechend
vorwärtstastete.
    Als er das
steinerne Bassin erreichte, aus dem sich einmal ein Gasrohr erhoben hatte,
befand sich kaum noch Luft in seinen Lungen. Doch dann hatte er die glänzenden
Gegenstände erblickt, die Seite an Seite auf dem Boden lagen. Es war, als wären
sie sachte herabgesegelt, ohne in irgendeiner Form von der Kraft der Detonation
erfasst worden zu sein. Und als er das Kreuz und den Stern aufhob, spürte er,
dass beide immer noch kalt wie Eis waren.
    Mit den
Gegenständen unter dem Jackett war Don die Treppe hinaufgestürmt. Er hatte Eva
etwas verloren im Chaos des oberen Saals erblickt. In dem sich langsam
herabsenkenden Sprengstoffnebel sah er, dass ihr Gesicht mit kleinen blutenden
Wunden übersät war, verursacht durch glühende Steinsplitter.
    Sie
schoben sich gemeinsam durch die steinernen Hallen der Wewelsburg, vorbei am
gesamten Krankenpersonal und ihren Tragen. Im Innenhof der Burg hatte sich,
von der lauten Explosion angelockt, bereits eine Menschenmenge versammelt.
    Durch
Zufall erblickte er einen jungen Mann neben einer Vespa, der gemeinsam mit
einigen Mädchen in Richtung des Turms deutete. Don zog Eva hinter sich her auf
die kleine Gruppe zu, die erschrocken zurückwich und die Vespa einfach stehen
ließ.
    Nachdem er
sich auf den Sattel gesetzt hatte, drehte er den Schlüssel im Zündschloss um,
während die Rechtsanwältin hinter seinem Rücken aufstieg. Sie schlang ihre Arme
um seine Taille, als Don den Gasgriff betätigte und das Gefährt mit
quietschenden Reifen in Bewegung setzte.
    »Jetzt ist
es aber wirklich sauber genug«, ermahnte Eva ihn.
    Der
Güterwaggon bremste gerade, und aus der Ferne konnte man Bahnhofssignale
ertönen hören.
    »Kommen
Sie lieber her.«
    Don spülte
den Lappen aus und warf einen letzten begutachtenden Blick auf das Innere des
Schranks. Dann schloss er widerwillig die Mahagonitüren.
    Als er in
den zweiten Clubsessel gesunken war, deutete Eva auf den Eisenbahnplan, der auf
dem Tisch ausgebreitet lag.
    »Ich
glaube, wir befinden uns ungefähr dort.«
    Die
Rechtsanwältin zeigte mit ihrem Finger auf einen Punkt unmittelbar östlich von
Hannover, wo offenbar ein kleiner Ort mit dem Namen Edemissen lag. Don wurde
etwas leichter ums Herz, als er sah, dass sie zumindest Westfalen schon mal
hinter sich gelassen hatten.
    »Und in
ungefähr drei Stunden«, fuhr Eva fort, »sind wir in Berlin. Die Frage ist ...«
    Sie tippte
mit dem Finger auf den ausgedehnten roten Fleck der Hauptstadt.
    »Die Frage
ist, ob Sie im Hinblick auf die aktuelle Lage überhaupt noch länger in
Deutschland bleiben wollen. Ich meine, als gesuchter Terrorist.«
    Er schaute
sie an.
    »Ich
meine: Ist es nicht ziemlich wahrscheinlich, dass man den Vorfall genau als
solchen einordnen wird, nämlich als Terroranschlag? Sie haben gerade einen
Burgturm und eine Menge unschuldiger Menschen in die Luft gesprengt. Wer weiß,
wie viele von ihnen noch am Leben sind. Ich glaube, dass die Ermittlungen
infolge eines Terrorattentates in Deutschland bedeutend intensiver ausfallen
als nach einem einzelnen Mord in einem unbedeutenden Land im Norden. Ich bin
mir ziemlich sicher, dass sich Ihre

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