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Wallentin, Jan

Wallentin, Jan

Titel: Wallentin, Jan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strindbergs Stern
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Passfotos und Unterlagen bereits in Berlin
befinden.«
    Don
verspürte plötzlich ein heftiges Heimweh, und vor seinem inneren Auge tauchten
Malmö, Lund und Stockholm auf. Außerdem war er so entsetzlich müde.
    »Suchen
die Deutschen in dem Fall nicht eher nach zwei Terroristen?«,
versuchte er es.
    Eva
antwortete nicht.
    Stattdessen
faltete sie die Eisenbahnkarte wieder zusammen. Darunter lag der Weltatlas
immer noch aufgeschlagen, und man konnte das polnische Grenzland zu Litauen,
Weißrussland und der Ukraine erkennen.
    »Ich
könnte mir vorstellen, dass man hier nicht so nachhaltig suchen wird wie im
Herzen Europas«, schätzte sie. »Und hier oben ...«
    Sie
blätterte etwas weiter und verharrte dann auf einer Seite mit einer
Küstensilhouette, die Don anfänglich ganz und gar nicht zuordnen konnte. Dann
las er den Namen der Stadt und erkannte schließlich ihre Geographie.
    »Hier
oben«, fuhr Eva fort, »könnte ich mir denken, werden sie vermutlich überhaupt
nicht suchen. Außerdem könnten wir von dort aus erkunden, ob Strindbergs
Gegenstände hinsichtlich der Sphären und Sternbilder tatsächlich
funktionieren.«
    Don
blickte die Rechtsanwältin an, doch es sah nicht so aus, als hätte sie ihren
Vorschlag als Scherz gemeint.
     
    Geheilt
     
    Das
Morphin hatte ihre Sinne getrübt, und dennoch grub sich der Schmerz immer
weiter in ihren Gehörgang. Die spitze Schere kratzte unermüdlich mit einem
schabenden Geräusch in ihrem Gewebe herum.
    Elena
wusste nicht, ob sie wach war. Ganz sicher wusste sie jedoch, dass sie nichts
sehen konnte.
    Sie
tastete mit den Händen an den Seiten ihres Körpers entlang, um sich zu
vergewissern, dass sie noch auf der Krankenhaustrage lag. Doch unter ihr befand
sich lediglich eine unendliche Leere, und sie hatte das eigentümliche Gefühl zu
fallen.
     
    Als sie
ihre Augen öffnete, wurde sie vom intensiven Sonnenlicht geblendet, das aus
allen Richtungen zu kommen schien. Blinzelnd gelang es ihr, den Horizont als
schwachen Rand zwischen dem weißen Himmel und dem Schnee auszumachen. Die
schmale Linie verlief in einem Halbkreis um sie herum, doch ob sie sich in der
Nähe oder weit entfernt befand, konnte sie nicht erkennen. Alles um sie herum
hatte sich in eine Eislandschaft verwandelt, die kein Ende zu haben schien.
    Dann
spürte Elena, dass jemand neben ihr stand; jemand, der unmittelbar hinter ihrem
Rücken atmete. In ihrem linken Ohr, auf dem sie noch hören konnte, vernahm sie
ein flüsterndes Geräusch, das sich zu einer Stimme formte:
    »Elena
...«
    Sie
schloss die Augen, und ein weiterer Atemzug folgte:
    »Elena.
Devi ascoltare, du musst mir zuhören, Elena. Du bist die Einzige, die wir
erreichen können.«
    »Madre?«
    »Questo
deve finire, es muss ein Ende haben.«
    »Ich ...
habe das Kreuz nicht mehr. Es ist ...«
    »Devi
portacela, du musst es uns bringen. Deve finire. Du bist die Einzige, die wir
erreichen können.«
     
    Eine
weiche Hand berührte ihr Ohr. Das zarte Streicheln setzte sich über ihre Wange
hinab fort. Im selben Moment verschwanden jegliche Schmerzen, und sie trieb
endlich fort in einen traumlosen Schlaf.
     
    Spurwechsel
     
    Berlin -
Küstrin - Gorzöw - Kreuz - Posen - Kutno - Warschau - Luköw - Terespol.
    Dort an
der polnischen Grenze zu Weißrussland wurden sie in eine Baracke
hineinbugsiert, woraufhin einige Männer in Arbeitsanzügen in die Dunkelheit
unter den Radachsen des Güterwaggons krochen.
    Vom Bett
des Schlafwagenabteils aus lauschte Don den Hammerschlägen gegen die
Karosserie des Waggons, bis die Stöße der Bolzenlöser das Geschirr im
Salonabteil erzittern ließen.
    Als die
Werkzeuge endlich verstummten, drückte Eva ihn an sich, und zugleich hörten
sie, wie die Wagenheber den Waggon von seinen westeuropäischen Radachsen
befreiten.
    Hinten im
Salon fielen die Taschenbücher in Stapeln aus den Regalen, und aus dem
Mahagonischrank konnte man das Klirren zerbrochenen Glases hören. Beim
nächsten Anheben begann die Abteiltür im Rhythmus der ruckartigen Bewegungen
des Waggons vor- und zurückzugleiten.
    Als der
Waggon wieder abgesenkt wurde, schraubte man ihn an breiteren Radachsen fest,
die der Spurweite in den ehemaligen Republiken der Sowjetunion entsprachen.
Genau die Gleisbreite, die damals zur Verzögerung der Waffentransporte der
Nationalsozialisten nach Stalingrad und Kursk geführt hatte.
    Nach dem
Achsenwechsel setzte sich die Reise im monotonen Rhythmus der Schienenfugen
fort, und bald schliefen Eva und Don wieder

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