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Wallentin, Jan

Wallentin, Jan

Titel: Wallentin, Jan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strindbergs Stern
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erwachen, hielt sie der Schmerz
in dieser krampfartigen Starre umklammert. Zusammengekauert am Fußende der
flaschengrünen Pritsche sitzend, sah sie wie das Personal mit den Verletzten
auf Tragen über den Krankenhauskorridor vorbeirauschte.
    Doch die
meisten Patienten mit lebensbedrohlichen Brandverletzungen waren nach der
Explosion des Nordturms der Wewelsburg bereits auf die Intensivstation verlegt
worden.
     
    Während
der vergangenen Stunden in der Notaufnahme hatte sie Eberlein nahezu
ununterbrochen auf der anderen Seite der Trennwand sprechen hören. Elena hatte
gegen ihren Willen all seinen halbherzigen Bemühungen zuhören müssen, eine
gewisse Ordnung in das Chaos zu bringen. Die Hälfte seiner Telefonate schien
sich mit der Frage auseinanderzusetzen, was eigentlich dort unten im Gewölbe
der Krypta explodiert war. Während sich die andere Hälfte darum drehte, die
Berichterstattung zu stoppen, die bereits völlig außer Kontrolle geraten war.
    »Ein
Dutzend einflussreicher Geschäftsleute praktizieren nationalsozialistische
Riten auf Schloss Wewelsburg«, war allein schon als Schlagzeile eine
sensationelle Story. Ein Dutzend »in die Luft gesprengte« Geschäftsleute, eine
durchaus bemerkenswerte Tatsache.
    Ganz
Deutschland schien bereits auf den Beinen zu sein, obwohl es noch vor
Tagesanbruch war. Die Direktübertragungen hallten vom Fernseher im Korridor
wider und wurden vom Brüderkrankenhaus St. Josef im Bezirk Paderborn in
Westfalen ständig aktualisiert.
    Eberleins
Versuch, auf alte Loyalitäten, Terrordrohungen und die Verantwortlichkeiten der
Presse zu verweisen, schien den Enthusiasmus der deutschen Journalisten eher
noch anzuspornen. In jeder Direktübertragung wurde über neue infrage kommende
Täter spekuliert, und Stunde um Stunde wurden die Theorien abstruser.
     
    Elena
hatte keine Kraft, über die Ursache der Explosion in der Krypta nachzudenken.
Wie eine willenlose Puppe war sie gezwungen gewesen, Vaters Anliegen mit dem
Messer auszuführen, während sie seine Pläne mit Titelman und der Frau im
Hinblick auf das erfolgreiche Ende der Zeremonie bereits kannte. Die Explosion
bildete in ihren Augen einen angemessenen Schlusspunkt. Das Einzige, was sie
störte, war, dass ihr Körper sich so vehement dagegen wehrte, aufzugeben.
    Die
verbrannte Haut der Verletzten wurde mit Chlorhexidin ausgewaschen, um
sämtliche Sprengstoffreste zu entfernen, und nun drangen erneut jämmerliche
Schreie aus dem Fernseher. Die Wunden sauber und feucht zu halten, war offenbar
eine unabdingbare Voraussetzung für eine anschließend erfolgreiche plastische
Chirurgie.
    Elena
hörte, wie jemand zu Eberlein hineinging, und kurz darauf vernahm sie die
nasale Stimme des Oberarztes. Es schien sich um einen neuerlichen Bericht über
Vaters Zustand zu handeln: Der Alte, dessen Gesicht starke Brandwunden
davongetragen hatte, erhielt auf der Intensivstation mittels diverser
Schläuche und Kanülen besondere Pflege. Der Schock hatte sein Herz aussetzen
lassen, bis jemand in seiner Einfalt es wieder zum Schlagen gebracht hatte.
    Sie ließ
das Gespräch an sich abgleiten ohne weiter zuzuhören, und wenn man von ihr als
seiner Tochter erwarten würde, ihn zu besuchen, dann müsste man sie schon zu
ihm tragen.
    Elenas
Gedanken wurden von all den scharfen Gegenständen gespalten, die sich immer
tiefer in ihren Gehörgang bohrten. Sie hatte nur die eine große Sehnsucht: dass
die Scherenspitze ihr Leben durch einen Kurzschluss auslöschen würde.
    Sie
bewegte ihre Hand hinauf zum Tropf, der die Morphinzufuhr steuerte, und
erhöhte die Dosis der Infusionsflüssigkeit so weit wie möglich. Dann sank sie
mit dem Kopf zurück aufs Kissen und wartete darauf, dass die Welle der
Betäubung über sie hereinbrechen und sie für immer mitreißen würde.
     
    Mechelen - Berlin
     
    Sie hatten
bereits alle Oberflächen im Güterwaggon gesäubert, doch Don war immer noch
unruhig. Er tropfte Spülmittel auf den Lappen und öffnete den Hahn von einem
der Wasserkanister. Dann begann er erneut die Spüle der Pantry im
Mahagonischrank abzuwischen. Auf unsicheren Beinen bemüht, das Gleichgewicht
zu halten und das vibrierende Ruckeln im Salon auszugleichen.
    Sie waren
als letzter Wagen an den langen Güterzug gekoppelt, der Mechelen in der
Morgendämmerung in Richtung Berlin verlassen hatte. Eva fand, dass es besser
sei, in Bewegung zu bleiben, auch wenn ihre Reise zwangsläufig wieder zurück
nach Deutschland und an der Burg der Stiftung in

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