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Wallentin, Jan

Wallentin, Jan

Titel: Wallentin, Jan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strindbergs Stern
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Nordrhein-Westfalen vorbeiführen
würde.
    Sie hatten
Hex versprochen, ihr noch vor dem Mittag mitzuteilen, welches Ziel sie danach
ansteuern würden. Auf diese Weise würden der Schwester zumindest ein paar
Stunden Zeit bleiben, um das altertümliche Logistiksystem von Green Cargo ein
weiteres Mal zu manipulieren.
     
    Eigentlich
wusste Don, dass die Flaschen jetzt nicht gefährlicher waren als zu dem
Zeitpunkt, als er sie aus den Regalen des Farbhandels genommen hatte. Dennoch
hob er die Plastiktüte mit der Aufschrift »Boca Paint«, in der sie mit ihren
zugeschraubten Sicherheitsverschlüssen lagen, nur mit spitzen Fingern an.
    »Wo sollen
wir denn all das entsorgen?«, fragte er und drehte sich zu Eva um.
    Sie saß im
Salon in einem der Clubsessel mit einer Karte der Eisenbahnverbindungen
Nordeuropas auf den Knien. Auf dem runden Tisch an ihrer Seite lag ein
aufgeschlagener Weltatlas.
    »Werfen
Sie einfach alles aus dem Fenster«, schlug sie vor, ohne auch nur aufzublicken.
    Don
schaute auf die lasierte Teakholzwand und spürte, wie sich sein Mund zu einer
Grimasse verzog.
    »A bisel
komish«, murmelte er. »Sehr komisch.«
    »Machen
Sie sich keine Sorgen«, sagte Eva beschwichtigend.
     
    Das hatte
sie bereits mehrfach gesagt, nachdem es ihnen gelungen war, den Waggon zu
erreichen, ohne entdeckt zu werden. Obwohl man sie dort auf dem Güterbahnhof
von Mechelen in ihren mit ockerfarbenem Staub überzogenen Kleidern eigentlich
gut hätte identifizieren können.
    Machen Sie
sich keine Sorgen.
    Don selbst
war dankbar, dass der Güterwaggon überhaupt noch dastand. Er hatte Hex nicht
ganz ernst genommen, als sie ihn vor den Risiken des Sprengstoffs warnte. Eine
gewisse Anzahl weißer Kristalle lag nämlich immer noch über die Spüle
verteilt, nachdem sie von Wewelsburg zurückgekehrt waren. Er hatte rasch Wasser
darüber gegossen und gehofft, dass sie sich irgendwie auflösen würden.
    Alles in
allem war es die Idee der Schwester gewesen. Sie war der Meinung, dass man den
Deutschen eine Lektion erteilen müsse, wenn sie aufmüpfig werden sollten. Und
falls alles gutginge, fuhr die Schwester fort, konnte man ihnen immer noch
mitteilen, dass sie ihren wiedergefundenen Stern abwaschen müssten.
    Von den
rein moralischen Aspekten, die es mit sich brachte, einen mit Sprengstoff
eingeriebenen Gegenstand zu übergeben, hatte sie nichts hören wollen, und wie
immer ließ sich Don von ihrer streitlustigen Argumentationsweise auch dieses
Mal überreden.
    Die
Instruktionen, die Hex ihm geschickt hatte, befolgte er so gut er konnte. Er
hatte alle Zutaten, die benötigt wurden, im Farbgroßhandel im Industriegebiet
in der Nähe des Ieper Vrachtterminal gefunden. Der Verkäufer bei Boca Paint
hatte keine Einwände dagegen gehabt, Salzsäure, Aceton und Wasserstoffperoxid
an ein und denselben Kunden zu verkaufen.
    Zurück im
Salon des Güterwaggons hatte er die vielen Links auf den Websites überflogen,
die Hex ihm empfohlen hatte. Sprengstoff herzustellen, schien kein besonders
aufwendiger Prozess zu sein, sondern eher ein Zeitvertreib für gelangweilte
Teenager, die zumindest einmal im Leben Funken sprühen lassen wollten. Don
hatte auf Anraten von Hex die Menge des ausgewählten Rezeptes verzehnfacht.
    In einer
der Glaskaraffen aus der Pantry hatte er Aceton mit dem hellblauen
Wasserstoffperoxid gemischt und die Lösung mit Eis aus dem Gefrierfach
heruntergekühlt. Daraufhin hatte er ein paar Tropfen Salzsäure hinzugegeben und
das Ganze ohne große Erwartungen umgerührt. Die Mischung musste über Nacht bei
niedriger Temperatur aufbewahrt werden.
    In der
Morgendämmerung, ungefähr eine Stunde vor der Abfahrt, hatte Don die
Flüssigkeit schließlich durch einen Kaffeefilter gegossen. Auf diese Weise konnte
er die weißen Kristalle des Sprengstoffs herausfiltern, die wie grobe
Salzkörner aussahen.
    Zu diesem
Zeitpunkt stand er bereits so stark unter Stress, dass ihn die Warnung, dass
TATP bei der geringsten Vibration explodieren konnte, nicht mehr kümmerte.
Stattdessen hatte er Strindbergs Stern auf die noch feuchten Kristalle in der
Spüle gepresst, die sich wie eine feine Staubschicht über das Metall legten.
    Als der
Stern getrocknet war, hatte er ihn in den Pappkarton gelegt und sich dann im
Taxi auf die holprige Fahrt hin zum Wewelsburger Rathausplatz und dem
Restaurant Alter Hof begeben.
     
    Auf dem
Boden des Nordturms im oberen Saal neben Evas Stiefelabsätzen kauernd, hatte
Don mit abgewandtem Blick das Aufblitzen

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