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Wallentin, Jan

Wallentin, Jan

Titel: Wallentin, Jan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strindbergs Stern
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jetzt
wusste er plötzlich, wer es war, dem Eva ähnelte. Die Bilder des Toten in den
Abendzeitungen, als er hinausgetragen wurde, sein langes Haar, das sein Gesicht
wie ein Heiligenschein einrahmte. Eva Strand erinnerte ihn an den Mann im
Bergwerk mit dem tiefen Loch in der Stirn. Derjenige, der dem Brief aus dem
Grab von Malraux zufolge Olaf hieß ...
     
    Olaf
Jansen?

 
    Jansen
     
    Draußen
hatte es begonnen heftig zu schneien, Wolken von weißen Flocken wurden vom
Wind getrieben und gegen die Fensterfront der Kapitänssuite gepeitscht. Dichte
Schauer aus weißem Nebel bedeckten die Scheiben und enthoben den Salon
jeglicher zeitlichen und räumlichen Bindung. Als Don versuchte hinauszuschauen,
sah er in dem matten Glas lediglich sein eigenes Spiegelbild. Wie er dort mit
krummem Rücken über die Papierstapel auf dem Schreibtisch gebeugt stand und
hinter ihm die schemenhafte Gestalt der Rechtsanwältin zu erkennen war.
    Er vermied
es, Evas Blick zu begegnen, als er zum Tisch und dem Bunsenbrenner zurückging.
Sank hinunter auf das Sofa gegenüber von Agusto Lyttons leerem Sessel.
    Der alte
Mann hatte sich zum Gehen gewandt und stand mit seinem Pelzmantel über die
Schultern geworfen an der Tür zum Korridor. Don konnte sehen, wie Eva Lytton
aufhielt, und kurz darauf hörte man eine flüsternde Konversation auf Spanisch.
    Eine Weile
bemühte er sich zu verstehen, wovon das Gespräch handelte, doch bald blendete
er den Dialog resigniert aus. Lehnte den Kopf gegen die Rückenpolster des Sofas
und begab sich in seiner Erinnerung zurück zu den Fotos aus den Abendzeitungen.
    Olaf
Jansens lebloses Gesicht blickte ihn abermals von der Trage an der
Schachtöffnung des Bergwerks an. Don fragte sich, wie ihm das nur hatte
entgehen können, was jetzt so augenfällig war. Die Wölbung der Stirn, die
Wangenknochen, die gleiche Kinnpartie ...
    all diese
Züge, die Olaf mit Eva vereinten. Aber der Mann im Bergwerk war ja bereits
1918 gestorben und hatte somit in einer anderen Zeit gelebt.
    Als Don
wieder in das gedämpfte Deckenlicht der Suite hinaufschaute, stellte er fest,
dass das Flüstern an der Tür verstummt war. Stattdessen hörte er ein Klappern
aus Richtung des großen Barschranks. Gefolgt von Schritten:
    »Ich
glaube, das hier können Sie gebrauchen, Don.«
    Er nahm
das Wodkaglas von Eva entgegen.
    »Trinken
Sie jetzt.«
    Don nahm
ein paar Schlucke, lehnte seinen Kopf wieder zurück und betrachtete die
Rechtsanwältin aus seiner sitzenden Position. In ihrem Gesicht sah er nun
ausschließlich die Züge, die an den Toten erinnerten. Er mutmaßte:
    »Also ...
Olaf Jansen. Er muss wohl Ihr ... Großvater gewesen sein, oder?«
    Eva
schaute ihn lange an und entgegnete dann tonlos: »Nein, Don. Olaf Jansen war
mein einziger Bruder.«
    »Aber ...
wie ...?«
    Dann stand
ihm die schwarz-weiße Fotografie wieder flimmernd vor Augen. Die blonde Frau,
die dort mit sittsam zur Seite geneigten Knien saß. In seiner Erinnerung sah
er auch die Bildunterschrift:
     
    Lytton
Enterprises - Direktion - Buenos Aires 1936
     
    »Das
letzte Mal, als ich Olaf sah, war ich gerade mal elf Jahre alt«, sagte Eva.
    »Sie haben
ihn also getroffen? Aber er hat doch vor bald hundert Jahren dort unten im
Bergwerk Selbstmord begangen.«
    Eva
nickte, und ihre Mundwinkel zogen sich zusammen. Don spürte, wie ihm übel
wurde. Er konnte nicht länger klar denken.
    Als Agusto
Lytton sich in den Sessel setzte, knarrte es. Er sagte seufzend zu Eva:
    »Su
amigo tiene quince minutos. Dein Freund bekommt fünfzehn
Minuten, nicht mehr. Dann müssen die Männer geweckt und die Operation
eingeleitet werden. Wir sind bereits spät dran, das weißt du selbst.«
    »Die
Operation ...?«, begann Don, doch Lytton unterbrach ihn: »Sie werden sich noch
über so einiges wundern Senor Titelman, nehme ich an.«
    Der alte
Mann öffnete sein Silberetui und nahm einen weiteren Zigarillo heraus. Klopfte
die Spitze gegen den Glastisch:
    »Ich habe
meiner Tochter versprochen, Ihnen als Dank für all Ihre Dienste fünfzehn
Minuten zu gewähren. Aber meinetwegen können wir es auch gerne schneller
abhandeln.«
    »Ihre
Tochter?«, fragte Don. »Eva?«
    Agusto
Lytton zündete sich den Zigarillo an und nickte flüchtig. Don schaute zu Eva
und dann wieder zurück zu dem alten Mann und spürte innerlich, wie er zu fallen
begann.
    »Also,
Senor Titelman?«, fragte Lytton, nachdem er einen Rauchring in die Luft
geblasen hatte.
    In der
Stille konnte Don hören, wie Eva sich neben ihn

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