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Wallentin, Jan

Wallentin, Jan

Titel: Wallentin, Jan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strindbergs Stern
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den
Rücken«, wiederholte Don zweifelnd. »Strindberg schrieb, dass Fraenkel aus dem
Bauch blutete.«
    »Die Kugel
ging geradewegs durch seinen Körper hindurch. In den Rücken hinein und durch den
Bauch wieder heraus.«
    Lytton
beugte sich vor und legte den Zigarillo zum Ausglühen in den Aschenbecher auf
dem Glastisch.
    »Doch Nils
Strindberg war zäh. Es gelang ihm, Fraenkel bis hin zur Öffnung im Eis zu
schleppen. Sie mussten es irgendwie geschafft haben, sich an den Wänden
entlang hinunterzuhangeln, denn wir konnten sehen, wie sie sich in dreißig
Meter Tiefe in der Dunkelheit bewegten. Olaf weinte und schrie, wir sollten
ihnen helfen. Doch Fraenkel war ja bereits verloren, und Strindberg hätte uns angezeigt,
sobald er auf Svalbard eingetroffen wäre. Wenn ich es zugelassen hätte, wären
wir alle gehängt worden.«
    »Also
haben Sie sie stattdessen einfach langsam da unten erfrieren lassen«, meinte
Don.
    Er sah
hinüber zu Eva, doch ihr Gesicht war regungslos und der Blick starr auf die
Hände in ihrem Schoß geheftet.
    »Was
geschah, nachdem Sie die Schweden getötet haben?«
    »Ja,
danach ...«, murmelte Lytton. »Dann machten wir uns auf den Weg in die Öffnung,
und dort unten ...«
    Der alte
Mann schloss die Augen.
    »Dort
unten befand sich eine Welt, die wir unmöglich verstehen konnten. Wir waren
einfache norwegische Seeleute, Senor Titelman. Es war ... Es war unbegreiflich.
Doch dass Strindbergs Stern und Kreuz als eine Art Schlüssel zur Unterwelt
dienten, konnten wir uns ausrechnen. Um herauszufinden, was dieser Schlüssel
wert war, nahmen wir per Bote Kontakt mit den deutschen Financiers der
Expedition auf...«
    Don wurde
gedanklich in den SS-Saal in der Wewelsburg zurückversetzt, wo er erneut
Eberleins Worte vernahm. Die Forderung der Norweger an die Stiftung, ihnen das
Öffnen des Tunnels in die Unterwelt zu bezahlen.
    »Nicht nur
das Öffnen«, schnaubte Lytton. »Wollte Ihnen
die Stiftung das etwa weismachen? Anfänglich war es vielleicht so, doch dann
nahm die Zusammenarbeit zwischen uns und den Deutschen ebenbürtige Formen an.
Unsere eigenen Forscher waren mindestens ebenso erfolgreich darin,
geheimnisvolle Visionen in neue chemische Stoffe und nutzbare militärische
Technik umzusetzen wie die der Stiftung. Allein die Fortschritte, die Fritz
Haber tätigte ...«
    Don
spürte, wie ihn eine Welle der Übelkeit erfasste, als er an die Vitrinen mit
den Giftgasanschlägen in Ypern denken musste, an Camille Malraux, tue á l'ennemi.
Erneut sah er den Stern im ausgedörrten Mund des Franzosen, den Olaf dort
hineingelegt hatte.
    »Wenn Sie
nun so erfolgreich waren«, murmelte Don, »warum hat dann Ihr eigener Sohn den
Stern in einem Grab versteckt?«
    Noch bevor
Lytton antworten konnte, flüsterte Eva:
    »Mein
Bruder hat Vater den Mord an den Schweden nie verziehen. Dass mein Vater
Fraenkel in den Rücken schoss und Strindberg sterben ließ, ist letztlich der
Grund dafür, warum wir hier sitzen.«
    »Olaf hat
nie irgendjemandem irgendetwas verziehen«, zischte Lytton. »Vor allem aber
verzieh er sich selber nie den Warnschuss auf Ingenieur Andree. Wir haben lange
geglaubt, dass er den Verstand wiedererlangen und irgendwann zur Vernunft
kommen würde. Dass er uns helfen würde, all das nutzbringend anzuwenden, was
wir dort unten gefunden hatten. Doch der Junge wollte nichts mit der Öffnung zu
tun haben, er schien zu glauben, dass sie den Vorhof zur Hölle bildete. Als wir
nach Svalbard zurückkamen, ging er von zu Hause fort und brach jeglichen
Kontakt ab.«
    »Niflheim«,
flüsterte Don.
    Lytton zog
eine Grimasse.
    »Wir
ließen ihn allerdings nie vollständig aus den Augen. Olaf war immerhin mein
Sohn. Er konnte ein normales Leben führen und wurde diskret überwacht, so dass
er das Wissen von unserem Geheimnis und dem der Stiftung nicht verbreiten
konnte. Nach einer Zeit kam er tatsächlich wieder auf die Füße und wurde
Dozent für altnordische Sprachen an der Sorbonne in Paris. Da er jedoch
jegliches Interesse an unseren Geschäften vermissen ließ, verringerten wir
unsere Überwachung schließlich. Deshalb erfuhren wir auch nie etwas von einem
Camille Malraux oder von der Tatsache, dass es Olaf dermaßen mitgenommen hat zu
erfahren, wer das Gas hergestellt hatte, das über den Schützengräben von Ypern
zum Einsatz kam.«
    Der alte
Mann streckte eine grauschwarze Zungenspitze aus dem Mund und befeuchtete seine
Lippen. Dann fuhr er zögernd fort:
    »Es war
kurz vor Kriegsende ... Er tauchte

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