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Wallentin, Jan

Wallentin, Jan

Titel: Wallentin, Jan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strindbergs Stern
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Ammoniak herzustellen. Ein sehr
weltoffener Chemiker, Fritz Haber«, beteuerte Lytton, der nun zu Don schaute.
    Doch Don
war in Gedanken wieder zurück in Ypern und dem Kriegsmuseum, an der Vitrine mit
der Darstellung des Giftgasangriffs:
    »Ihnen ist
bekannt, dass die Ehefrau von Fritz Haber nach der Giftgasattacke in Gravenstafel
Selbstmord beging? Sie konnte sich nicht damit abfinden, dass ihr Mann nicht
nur das Kriegsgas erfunden hatte, sondern auch verlangte, an der Front
anwesend zu sein, um persönlich die Hähne öffnen zu können. Sie tötete sich mit
einem Schuss ins Herz, als sie von Fritz Habers Vorhaben erfuhr. Am selben
Morgen begab er sich an die Ostfront, um die neuerlichen Attacken gegen die
Russen zu überwachen. Damals setzten die Deutschen ein völlig neuartiges
Nervengas ein, von dessen Existenz noch keiner wusste.«
    Don sah zu
Lytton hinüber.
    »Fritz
Habers Forschung führte zur Entwicklung des Lieblingsgases der
Nationalsozialisten, Zyklon B.«
    »Zyklon B
wurde als Schädlingsbekämpfungsmittel eingesetzt«, entgegnete Lytton bedächtig.
»Es war nie vorgesehen, gegen Menschen eingesetzt zu werden. Außerdem ist
Fritz Haber vermutlich derjenige, der am meisten Menschenleben von allen
gerettet hat.«
    »Ach
tatsächlich?«, murmelte Don und blätterte weiter in den Papierstapeln auf dem
Sekretär.
    »Ja, Sie
müssen verstehen«, erklärte Lytton, »das Haber-Bosch-Verfahren ermöglichte die
industrielle Produktion von Ammoniak und preisgünstigen Düngemitteln für die
Landwirtschaft. Ohne die Düngung würde ein Drittel der Weltbevölkerung
verhungern. Haber an seiner Forschung zu hindern, hätte all diese Menschen das
Leben gekostet. Wäre das humaner gewesen, Senor Goldstein?«
    Lytton
wandte sich angelockt vom zischenden Geräusch des Lichtstrahls wieder dem
Bunsenbrenner zu. Und Don antwortete nicht, denn jetzt hatte er ein weiteres
Schwarz-Weiß-Foto erblickt. Erst hatte er es überblättert, da es aussah wie die
Titelseite eines Werbefolders. Doch irgendetwas an dem Bild ...
    Die
Gasflamme wurde heruntergedreht und abgestellt.
    »Ein
Erlebnis, muchas gracias, Sefiora Goldstein. Ich helfe Ihnen, alles wieder
zusammenzupacken.«
    Lytton
verstummte. Es klapperte, als Eva den Bunsenbrenner wieder abbaute. Don wusste,
dass ihm nur noch wenige Sekunden Zeit blieben.
    Es war
schwer, die Gesichter auf dem Schwarz-Weiß-Foto genau zu erkennen, doch einer
der Männer war ganz sicher Agusto Lytton. So wie der Südamerikaner in seinen
besten Jahren ausgesehen haben musste, bevor alle weichen Züge von seinen
Wangenknochen gewichen waren.
    Neben
Lytton saßen drei schwarz gekleidete Personen, und in der Reihe darunter saßen
zwei weitere Männer und eine junge Frau in weißer Bluse, die die Beine sittsam
zur Seite geneigt hatte.
     
    Lytton
Enterprises - Direktion - Buenos Aires 1936
    1936. Don
begann zu rechnen. Seinem Aussehen nach zu urteilen musste Agusto Lytton mindestens
fünfzig Jahre alt gewesen sein, als das Bild aufgenommen wurde. Dann war er
jetzt also ...
    Don
rechnete noch einmal nach und meinte, sich verguckt zu haben.
    Er drehte
das Bild um. Auf der Rückseite waren die Namen in der Reihenfolge angegeben, in
der sie saßen:
     
    K.
Fleischer - F. Haber - J. Jansen - M. Trujillo N. Weiß - J. Maier - E. Jansen
     
    Fleischer,
Haber ... E. Jansen?
    Don drehte
die Broschüre rasch wieder um. Begegnete Agusto Lyttons ernstem Blick aus der
Mitte der oberen Reihe. Lytton? Jansen? Hatte er seinen Namen geändert?
    Und war da
nicht noch ein weiterer Jansen?
    In der
unteren Reihe, dritte Person von links. Ja, E. Jansen.
    Die junge
Frau, helles Haar, doch er benötigte eine Lupe, um sie wirklich erkennen zu
können ... Hatte Lytton nicht eine Lupe besessen? Dort lag sie - schnell
jetzt, die dritte Person von links, die zur Seite geneigten Beine, das Gesicht,
der kühle Blick, sie sah ihr in der Tat erstaunlich ähnlich. E. Jansen - Eva
Jansen?
    Eva ...
    Don spürte
einen warmen Atem im Nacken. Die Rechtsanwältin hatte sich so leise bewegt,
dass er sie nicht hatte kommen hören.
    »Ich habe
zwei Jahre, nachdem diese Fotografie entstanden ist, einen Mann namens Strand
geheiratet«, flüsterte Eva. »Einen Schweden. Er starb 1961.«
     
    Don drehte
sich nicht um. Denn plötzlich war er wieder im Vernehmungsraum in Falun und
dachte daran, dass die Rechtsanwältin von der Kanzlei Afzelius ihn an jemanden
erinnert hatte, als sie dort im ewig blinkenden Lichtschein der Neonröhre
stand.
    Und

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